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Neobroker im Wandel: Neue Angebote, Kinderdepots und das Ende der Gratis-Ära

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Simin Heuser

15. Oktober 2025

Die Neobroker-Szene bleibt in Bewegung. Was Anlegerinnen jetzt wissen sollten. 

Trade Republic erweitert sein Angebot um Festzinsprodukte und US-Anleihen, immer mehr Anbieter setzen auf Kinderdepots, und mit dem EU-weiten PFOF-Verbot steht der Branche ein tiefgreifender Umbruch bevor.

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Deutschland investiert – und das so stark wie nie zuvor. Zwischen 2015 und 2024 wurden hierzulande rund 11,8 Millionen neue Wertpapierdepots eröffnet, wie eine aktuelle Analyse der Brokerage-Plattform Lemon Markets und des Online-Brokers Smartbroker zeigt. Das entspricht einem Zuwachs von 53 Prozent innerhalb von neun Jahren – ein Rekordwert.

Fast alle neuen Depots, 99 Prozent, gehören PrivatanlegerInnen. Nur rund 240.000 entfallen auf institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds. Insgesamt verzeichnet die Deutsche Bundesbank, Stand Ende 2024, 34,4 Millionen Wertpapierdepots in Deutschland.

Von diesem Boom profitieren vor allem digitale Anbieter. Das Wachstum gehe, so die Analyse, fast ausschließlich auf das Konto von Neobrokern und Direktbanken. Während die großen Filialbanken stagnieren, treiben innovative Fintechs den Wettbewerb an und machen den Kapitalmarkt für breite Teile der Bevölkerung zugänglich – mit niedrigen Kosten, intuitiven Apps und einem einfachen Zugang zu ETFs, Aktien oder Sparplänen.

Doch die Branche ist in Bewegung. Die Zeiten, in denen Neobroker allein mit Gratis-Trades punkten konnten, neigen sich dem Ende zu. Neue Regulierungen, technische Pannen und strategische Neuausrichtungen verändern gerade das Bild. Zeit also, einen genaueren Blick darauf zu werfen, wo die Branche steht und wohin sie sich bewegt.

Trade Republic: Neuer Kurs mit Festzins und US-Anleihen, aber alte Probleme bleiben

Der größte deutsche Neobroker Trade Republic baut sein Angebot weiter aus. Nach dem Einstieg in Private Markets öffnet das Unternehmen nun auch den Zugang zum Anleihemarkt. Kernstück der neuen Sparte ist das Produkt „Fixed Interest“, das AnlegerInnen feste Laufzeiten und planbare Renditen bietet. Die Idee erinnert an klassische Festgelder, basiert aber auf einem diversifizierten Portfolio aus Anleihen.

AnlegerInnen können zwischen verschiedenen Laufzeiten wählen, zum Beispiel zwei oder fünf Jahre, und erhalten im Gegenzug eine festgelegte Verzinsung. Ergänzend dazu bietet Trade Republic ab sofort Investitionen in US-Dollar-Anleihen an. Laut Anbieter ist der Einstieg bereits ab einem Euro möglich, bei flexibler Rückgabe und niedrigen Gebühren. Genauere Details zum Produktaufbau stehen noch aus.

Mit dem Schritt positioniert sich Trade Republic stärker als ganzheitlicher Anlageanbieter und öffnet sich traditionellen Investmentklassen. Das Konzept soll vor allem sicherheitsorientierte KundInnen ansprechen, die in einem volatilen Marktumfeld verlässliche Zinsen suchen.

Während das Produktangebot wächst, bleibt der Kundenservice ein Schwachpunkt. In Online-Foren häufen sich weiterhin Beschwerden über lange Bearbeitungszeiten und fehlende Rückmeldungen. Für zusätzliche Kritik sorgte jüngst ein technischer Fehler, der auf einen Aktiensplit des US-Chipkonzerns Nvidia im Jahr 2024 zurückgeht.

Mehr als ein Jahr nach dem Split wurde bei zahlreichen KundInnen von Trade Republic plötzlich zu viel Steuer berechnet. Das System behandelte die zusätzlichen Aktien fälschlicherweise als Neukäufe. Infolgedessen wurde Kapitalertragssteuer abgezogen, obwohl kein Gewinn entstanden war. Einzelne KundInnen berichteten von vierstelligen Fehlbeträgen, die ihr Cashkonto zeitweise ins Minus rutschen ließen.

Trade Republic korrigierte den Fehler, doch der Vorfall verdeutlicht, dass die Plattform trotz Wachstum weiterhin mit technischen und organisatorischen Problemen zu kämpfen hat.

Kinderdepots: Die nächste Zielgruppe steht bereit

Ein weiterer Trend in der Brokerwelt ist kaum zu übersehen. Immer mehr Anbieter öffnen ihre Plattformen auch für Minderjährige. Was lange nur bei klassischen Banken möglich war, wird nun auch bei Neobrokern zur Selbstverständlichkeit.

Trade Republic und finanzen.net zero haben bereits Kinderdepots im Programm, Scalable Capital hat sein Angebot für dieses Jahr angekündigt. Eltern können so im Namen ihrer Kinder investieren, regelmäßig Sparpläne anlegen und langfristig Vermögen aufbauen. Die Depots sind meist mit den bestehenden Konten der Eltern verknüpft und lassen sich über dieselbe App verwalten.

Der Schritt kommt nicht von ungefähr. Mit den Kinderdepots erschließen die Neobroker eine neue Kundengruppe und sichern sich zugleich langfristige KundInnenbindung. Denn wer als Kind schon über eine App investiert, bleibt im besten Fall auch im Erwachsenenalter Kundin.

Neben dem strategischen Vorteil rückt auch das Thema finanzielle Bildung stärker in den Fokus. Viele Eltern nutzen die neuen Möglichkeiten, um ihren Kindern früh den Umgang mit Geld, Sparen und Investieren näherzubringen. Das passt gut zum Selbstverständnis der Neobroker, den Kapitalmarkt zugänglicher zu machen.

Noch ist das Angebot überschaubar, doch der Trend dürfte anhalten. Kinderdepots sind für viele Anbieter der nächste logische Schritt in einem Markt, der zunehmend um jede Kundin und jeden Kunden konkurriert.

Das Ende der Gratis-Ära: PFOF-Verbot stellt Geschäftsmodelle auf die Probe

Während die einen mit neuen Angeboten für Kinderdepots um die KundInnen von morgen werben, kämpfen andere bereits mit den Herausforderungen von morgen. Die größte davon betrifft das Geschäftsmodell vieler Neobroker selbst.

Spätestens ab Juli 2026 greift in der gesamten EU das Verbot sogenannter Payment-for-Order-Flow-Modelle, kurz PFOF. Aktuell gilt noch eine Übergangsfrist, doch die Vorbereitungen laufen bereits.

Payment for Order Flow beschreibt eine Geschäftspraxis, bei der Broker die Handelsaufträge ihrer KundInnen an spezielle Handelspartner, sogenannte Market Maker, weiterleiten. Diese zahlen den Brokern dafür eine Provision. Für die AnlegerInnen wirkt das zunächst positiv, weil sie oft ohne Ordergebühr handeln können. Für die Broker ist es hingegen eine zentrale Einnahmequelle.

Ein Verbot dieser Praxis hat weitreichende Folgen. Bei Trade Republic etwa machten die Rückvergütungen im vergangenen Jahr rund ein Drittel der gesamten Erlöse aus. Der Berliner Anbieter verwaltete Ende 2024 bereits rund 100 Milliarden Euro an Kundengeldern. Die Einnahmelücke, die durch das Verbot entsteht, muss also auf anderem Weg geschlossen werden.

Laut Michael Grote, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, arbeiten die Neobroker schon jetzt an neuen Lösungen. Denkbar seien klassische Handelsgebühren, kostenpflichtige Zusatzfunktionen wie Analysetools oder neue Pauschalmodelle. Manche Anbieter könnten sich auch stärker auf das Zinsgeschäft konzentrieren und sich damit ein Stück weit zu traditionellen Banken entwickeln.

Dass es sich beim PFOF-Verbot nicht um ein Randthema handelt, zeigen auch Zahlen des Branchenverbands Bitkom. Ein Drittel der über 1000 Befragten, die online investieren, gaben an, dass sie ohne digitale Angebote gar nicht am Kapitalmarkt aktiv wären. „Apps und benutzerfreundliche Angebote leisten damit einen wichtigen Beitrag für die persönliche finanzielle Vorsorge“, erklärt Bitkom-Finanzexpertin Alina Stephanie Bone-Winkel.

Das Verbot soll vor allem Transparenz schaffen und verhindern, dass Kunden durch die Weiterleitung ihrer Orders benachteiligt werden. Fest steht: Die goldenen Zeiten der kostenlosen Trades laufen aus. AnlegerInnen müssen sich auf Veränderungen einstellen, und Broker auf eine neue Realität, in der sich gute Orderqualität und faire Preise stärker voneinander abheben.

Erste Reaktionen: Wer sich vorbereitet und wer abwartet

Das EU-weite PFOF-Verbot sorgt in der Branche für Bewegung. Einige Broker reagieren bereits mit Anpassungen, andere warten ab und beobachten die Lage.

Scalable Capital zählt zu den Vorreitern. Das Unternehmen entspricht nach eigenen Angaben schon seit März 2024 den Vorgaben in allen Ländern, in denen es aktiv ist. Dazu gehören neben Deutschland auch Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich und Spanien. Ende 2024 gründete Scalable gemeinsam mit der Börse Hannover eine eigene Handelsplattform namens European Investor Exchange. Damit wird das Fintech selbst zum Market Maker und wickelt die Kundenorders direkt ab.

Dieser Schritt soll Unabhängigkeit schaffen, sorgt aber auch für Kritik. Manche BeobachterInnen halten es für problematisch, wenn ein Broker selbst zur Börse wird. Denn eigentlich sollte ein Broker die bestmögliche Ausführung für KundInnen sicherstellen – und nicht gleichzeitig eigene Handelsinteressen verfolgen.

Andere Anbieter zeigen sich deutlich zurückhaltender. justTrade, Traders Place und Smartbroker kündigen bislang keine strukturellen Änderungen an. Ernst Huber, CEO von Traders Place, erklärte, man gehe davon aus, dass die Auswirkungen auf die Kunden gering bleiben und das Wachstum durch das Verbot nicht gebremst werde. Auch Michael Bußhaus, Managing Director von justTrade, sieht noch keine Notwendigkeit für größere Anpassungen. Er verweist darauf, dass in anderen EU-Ländern trotz des Verbots weiterhin PFOF-ähnliche Modelle erlaubt sind und aus Brüssel noch zu viele Details offen seien.

Die unterschiedlichen Strategien zeigen, wie uneinheitlich der Markt derzeit aufgestellt ist. Während einige Unternehmen aktiv an der Zukunft ihrer Geschäftsmodelle arbeiten, hoffen andere, dass sich der Wandel weniger drastisch auswirken wird. Doch fest steht: Die Zeit des Abwartens läuft ab.

Trade Republics Strategie: Expansion statt Anpassung

Während viele Wettbewerber noch nach Wegen suchen, das PFOF-Verbot abzufedern, setzt Trade Republic auf Wachstum und neue Geschäftsfelder. Das Unternehmen arbeitet laut Brancheninsidern an einem Großprojekt, das den größten deutschen Neobroker unabhängiger machen soll. Ziel ist es, künftig mehr Handelsprozesse selbst abzuwickeln und so weniger von externen Partnern abhängig zu sein.

Dass die Berliner nicht stillstehen, zeigen ihre jüngsten Produktneuheiten. Neben dem neuen Festzinsangebot und dem Zugang zu US-Dollar-Anleihen hat Trade Republic im September 2025 den Einstieg in den Private-Equity-Markt bekannt gegeben. PrivatanlegerInnen erhalten dadurch erstmals Zugang zu einem Anlagesegment, das bisher fast ausschließlich institutionellen Investoren vorbehalten war. Möglich wird dies über Investmentvehikel, an denen sich AnlegerInnen bereits ab einem Euro beteiligen können.

Der Schritt ist strategisch bedeutsam. Trade Republic reagiert damit auf das drohende PFOF-Verbot und erweitert sein Geschäftsmodell in Richtung alternativer Ertragsquellen. Mit jedem neuen Produkt wird die Plattform ein Stück breiter aufgestellt und spricht gleichzeitig neue Kundengruppen an.

Doch auch wenn Trade Republic mit Innovationen punktet, bleibt das Grundproblem bestehen. Die Plattform kämpft weiterhin mit wiederkehrenden Serviceproblemen und technischen Fehlern. Viele AnlegerInnen fragen sich daher, ob die rasante Expansion langfristig mit der nötigen Stabilität einhergeht.

Fazit: Die Konsolidierung hat begonnen

Der Boom am Kapitalmarkt hält an, doch die Spielregeln verändern sich. Neobroker, die den Markt in den vergangenen Jahren mit Gratis-Trades, App-Komfort und aggressivem Wachstum aufgemischt haben, müssen ihre Strategien neu ausrichten.

Das kommende PFOF-Verbot markiert einen Wendepunkt. Es zwingt Anbieter dazu, ihr Geschäftsmodell zu überdenken und neue Einnahmequellen zu erschließen. Wer schnell reagiert, kann gestärkt aus dem Wandel hervorgehen. Wer zu lange abwartet, riskiert, den Anschluss zu verlieren.

Branchenexperten rechnen mit einer Konsolidierung. Der Markt dürfte künftig langsamer wachsen, zugleich aber professioneller werden. Für KundInnen bedeutet das zunächst höhere Kosten, langfristig jedoch mehr Transparenz und wahrscheinlich auch eine bessere Orderqualität.

Disclaimer: Alle Angaben sind ohne Gewähr. Trotz sorgfältiger Recherche kann herMoney keine Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit übernehmen. Der Artikel dient lediglich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar.


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Simin Heuser

Simin Heuser hat Volkswirtschaftslehre studiert und war bereits für verschiedene Fondsgesellschaften und Fintechs tätig. Sie schreibt unter anderem als freie Autorin über Finanz- und Versicherungsthemen.

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