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Börsenexpertin Jessica Schwarzer: „Ein mittelmäßiger Fonds ist besser als Tagesgeld!“

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Birgit Wetjen

Autorin

10. Juli 2017

Börse als Leidenschaft – ja geht das denn? Na klar, sagt Jessica Schwarzer, Buchautorin und Börsenexpertin des Handelsblattes im Interview.

Jessica erzählt im Gespräch mit herMoney, wie es dazu kam und was sie anderen Frauen empfiehlt.

herMoney: Du bist schon als Kind mit dem Fahrrad von Bank zu Bank gefahren und hast Zinsen verglichen. Was ist da schief gegangen in der Erziehung?

Jessica Schwarzer: (lacht) Wieso schief gelaufen? Mich hat Geld schon immer fasziniert.

herMoney: Spaß beiseite. Warum hast Du Dich als Grundschülerin für Zinsen interessiert?

Jessica Schwarzer: Ich habe schon immer gerne gespart. Und dann gab es von einer Bank eine Aktion, da konnte man für 10 oder 50 Pfennig oder D-Mark Märkchen kaufen, die man in ein Heft kleben musste. Wenn die Seite voll war, konnte man sie raustrennen und das Geld auf das Konto einzahlen. Das habe ich als Kind leidenschaftlich gerne gemacht. Und dann hat mir meine Mutter erklärt, dass man Zinsen bekommt, die von Bank zu Bank unterschiedlich sein können und die man auch verhandeln kann. Also habe ich erst einmal Zinssätze verglichen und schließlich mit unserem Stammbanker verhandelt…

herMoney: …während andere Mädels Poesiealben ausgetauscht habe? War Geld bei Euch in der Familie ein Thema?

Jessica Schwarzer: Meine Eltern waren selbstständig und ich habe schon sehr früh relativ viel Taschengeld bekommen, von dem ich aber auch alles, also auch Schulbücher und Klamotten, bezahlen musste. Deshalb habe ich den Umgang mit Geld sehr früh gelernt. Und natürlich auch die Endlichkeit eines Budgets erfahren. Wenn nichts mehr da war, konnte ich mir die coole Jeans, die gerade angesagt war, nicht leisten.

herMoney: Viele Frauen haben Berührungsängste, wenn es ums Geld geht. Hast Du dafür eine Erklärung?

Jessica Schwarzer: Ehrlich gesagt: Nein. Irgendwie scheint Geld vor allem für Männer sexy zu sein. Dabei müsste das eigentlich auch Frauen interessieren – es ist angesichts der drohenden Altersarmut regelrecht fahrlässig, sich nicht um sein Geld zu kümmern. Ich kenne viele Frauen, die sich in Gelddingen auf den Partner verlassen haben und nach der Scheidung vor nahezu unlösbaren Problemen standen. Dann stellen sie fest, dass sie weder Unterhalt bekommen noch finanziell vorgesorgt haben. Vielleicht haben Frauen mehr Angst, vermeintlich doofe Fragen zu stellen? Aber doofe Fragen gibt es nicht, wenn es um unser Geld geht! Informationen sind wichtig, je mehr desto besser. Ich jedenfalls finde Geldanlage ein wahnsinnig spannendes Thema.

 herMoney: Wie bist Du von den Sparmärkchen an die Börse gekommen?

Jessica Schwarzer: Wieder über meine Mutter. Als die Telekom 1997 mit großem Medienrummel an die Börse ging, hat sie mir vorgeschlagen, gemeinsam Aktien zu zeichnen. Das war ja damals so eine Art Lotterie und wir gehörten zu den Glücklichen, die auch Anteile zugeteilt bekommen haben…

herMoney: …das Engagement endete bekanntlich ja bei vielen Deutschen in einem Desaster. Der Neue Markt ist ab April 2000 gecrasht, viele Anleger haben damals auch mit der Telekom-Aktie viel Geld verloren. Vor allem damalige Börsenneulinge haben seitdem nie wieder Aktien angefasst. Warum bist Du dabei geblieben?

Jessica Schwarzer: Wir haben nach einigen Wochen mit 15 oder 20 Prozent Gewinn verkauft – wir waren also weder bei der Rallye noch beim Crash dabei. Ich habe meinen Gewinn dann in andere Aktien investiert. Natürlich habe ich nicht mit jeder Aktie Gewinn gemacht und auch Lehrgeld bezahlt, aber die Faszination hat nie nachgelassen.

herMoney: Du bist heute Börsenexpertin beim Handelsblatt und hast einige Bücher zum Thema geschrieben – darunter eines mit dem verheißungsvollen Titel „Einfach erfolgreich anlegen“. Weckst Du da nicht falsche Erwartungen oder ist es tatsächlich so einfach?

Jessica Schwarzer: Viele Frauen glauben, alles rund um die Börse sei wahnsinnig kompliziert – und aus Angst, sie nicht zu verstehen, machen sie einfach nichts. Dabei ist Geldanlage kein Hexenwerk. Natürlich muss man sich ein wenig Zeit nehmen und sich mit dem Thema beschäftigen. Aber dann ist es tatsächlich viel einfacher, als gedacht.

herMoney: Welche Fehler machen Frauen in Gelddingen aus Deiner Erfahrung am meisten und wie lassen sich Anleger-Fallen umschiffen?

Jessica Schwarzer: Der größte Fehler ist tatsächlich, sich nicht um sein Geld zu kümmern. Und dann rate ich davon ab, ohne Strategie loszulegen. Eine Geldanlage muss zum Risikoprofil, der Lebenssituation und zu den Anlagezielen passen. Erst dann kann man entscheiden, wie viel Geld man in Aktien oder Anleihen investiert, ob man auf Fonds oder Einzelwerte setzt und welche Märkte in Frage kommen.

herMoney: Das klingt fast schon kompliziert. Kann man nicht einfach mit einem Sparplan auf einen global investierenden Fonds oder ETF starten?

Jessica Schwarzer: Natürlich ist das besser als nichts. Selbst ein mittelmäßiger Fonds ist wahrscheinlich besser als Tagesgeld. Wer regelmäßig Geld in einen Fonds oder ETF investiert, kann über lange Zeiträume stattliche Renditen erwarten. Oft höre ich, dass dafür kein Geld vorhanden sei. Aber ich wage mal zu behaupten, dass jeder Haushalt 25 Euro im Monat oder zumindest alle zwei Monate aufbringen kann – damit kann man einen Sparplan starten. Wer aber mehr anlegen kann und will und vielleicht auch schon über Erspartes verfügt, sollte meines Erachtens strategischer vorgehen. Ansonsten sehe ich das Risiko, dass ein Zufallsdepot entsteht, das am Ende vielleicht nicht zu dem Anleger und seinen Zielen passt.

herMoney: Welchen Rat kannst Du Einsteigerinnen geben?

Jessica Schwarzer: Beschäftigt Euch mit Geldanlage und lasst Euch nicht durch Fachkauderwelsch  abschrecken. Wer in Aktien investiert, hat sehr gute Renditeaussichten. Aber klar ist auch: Die Kurse schwanken und das muss man aushalten können. Ganz wichtig ist es deshalb, die Emotionen bei der Geldanlage zu kontrollieren und nicht bei einem Kurseinbruch in Panik zu verkaufen. Ich persönlich führe ein Tagebuch, in dem ich meine Ziele und Einschätzungen notiere. Das diszipliniert ungemein und hilft, die Emotionen in Schach zu halten. Und ein wichtiger Rat zum Schluss: Nie in etwas investieren, was man nicht versteht. Habt keine Hemmungen, Fragen zu stellen – dumme Fragen gibt es nicht, schließlich geht es um Euer Geld!

Jessica Schwarzer ist Börsenexpertin beim Handelsblatt. Die 42-Jährige hat sich schon sehr früh in der Männerdomäne Finanzen behauptet und bisher vier Bücher („Sell in May and go away…?“, „Gierig. Verliebt. Panisch.“, „Einfach erfolgreich anlegen“ und „Hin und Her macht Taschen leer“ (erscheint Ende Juli)) zum Thema Börse und Geldanlage geschrieben.

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.