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Was Frauen gegen den Gender Pay Gap tun können

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Birgit Wetjen

Autorin

17. März 2020

Frauen werden noch immer schlechter bezahlt als Männer. Verhandlungsexpertin Claudia Irsfeld erklärt, wie Sie das ändern können.

Am 17. März ist Equal Pay Day – den gleichen Bruttostundenlohn vorausgesetzt, arbeiten Frauen im Vergleich zu Männern bis zu diesem Tag umsonst. Woran liegt´s, dass die Schere nicht zusammen geht? Welche Maßnahmen greifen gegen den Gender Pay Gap und was können wir selbst tun, um die Lohnlücke zu verringern? Wir haben bei Claudia Irsfeld nachgefragt. Sie ist Personalleiterin bei einer Unternehmensberatung. In ihrem gerade veröffentlichten Ratgeber „Frauen und Gehalt – So verhandeln Sie gelassen und erfolgreich“ nennt sie Ursachen und gibt konkrete Tipps, was Sie gegen den Gender Pay Gap tun können.

herMoney: Frau Irsfeld, ich kann schlecht verhandeln und gerate schnell in Rücklage – ich beginne dann, mich zu rechtfertigen. Ist mir zu helfen?

Claudia Irsfeld: Auf jeden Fall ist Ihnen zu helfen! Frauen können ja grundsätzlich sehr gut verhandeln – sogar noch viel besser als Männer. Nur leider meistens nicht für sich selbst. Wenn Frauen für andere verhandeln, sind sie unschlagbar und setzen ihre Vorstellungen erfolgreich durch.

herMoney: Woran liegt´s denn, dass wir so schlecht für uns selbst verhandeln?

Claudia Irsfeld: Das hat viele Gründe. Oft haben Frauen schon in jungen Jahren schlechte Erfahrungen gemacht, wenn sie fordernd auftreten – das brennt sich ein. Das fängt übrigens schon im Kleinkinderalter an. Mädchen werden gemaßregelt oder zurückgewiesen, wenn sie etwas fordern. Und das zieht sich dann bis ins Erwachsenenalter durch. Wir lernen, dass es gut ist, bescheiden zu sein.


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herMoney: Bescheidenheit ist die höchste Form der Dekadenz – pflegt mein Mann zu sagen. Hat er Recht?

Claudia Irsfeld: Bescheidenheit ist ja eine Reaktion auf die Umwelt. Aber in gewisser Weise hat ihr Mann wohl Recht. Man muss sich Bescheidenheit leisten können.

herMoney: Frauen können sie sich sicher nicht leisten. Der Gender Pay Gap verharrt seit Jahren bei 21 Prozent.

Claudia Irsfeld: Stimmt, und das obwohl Frauen heute gleich gut oder sogar besser ausgebildet sind. Mit wachsender Berufserfahrung geraten sie aber ins Hintertreffen – Stichwort Leaky Pipeline.

herMoney: Was heißt das? Warum verringert sich der Pay Gap nicht?

Claudia Irsfeld: Frauen sind heute zwar selbstbewusst und gut ausgebildet, aber sie erreichen deutlich seltener Führungspositionen als Männer. Drastisch zeigt sich das in sozialen Berufen. Hier sind deutlich mehr Frauen beschäftigt als Männer, allerdings finden sich überproportional viele Männer in Führungspositionen. Wenn Frauen doch Führungsverantwortung übernehmen, dann werden sie schlechter bezahlt – im Schnitt steigt der Gender Pay Gap in Führungspositionen sogar. Gleichzeitig übernehmen viele Frauen einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit – und sind dann Teilzeit beschäftigt. Solche Aspekte haben deutliche Auswirkungen auf das Gehalt von Frauen.

herMoney: Im internationalen Vergleich macht Deutschland keine gute Figur. Laut OECD klafft bei der Rente eine Lücke von 46 Prozent. Warum stehen Frauen in anderen Ländern deutlich besser da?

Claudia Irsfeld: Es gibt eine Vielzahl von Gründen: Klarere gesetzliche Vorgaben wie zum Beispiel in Island – hier ist im Gleichstellungsgesetz festgehalten, dass Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden müssen.


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herMoney: Welche Maßnahmen helfen noch gegen den Gender Pay Gap?

Claudia Irsfeld: In Island hat beispielsweise auch die Elternzeitregelung eine andere Wirkung. Hier wird das Recht auf Elternzeit paritätisch aufgeteilt und die Zeit verfällt, wenn sie nicht in Anspruch genommen wird. Das heißt, dass auch die Väter zu Hause bleiben und die Mütter in der Zeit arbeiten können. In Deutschland verfallen nur zwei der 14 Monate, wenn eines der Elternteile keine Elternzeit nimmt. In der Regel werden die zwei Partnermonate von Männern genommen und dann wird Urlaub gemacht. Die tagtägliche Betreuungsarbeit bleibt bei den Frauen.

herMoney: Gesetze helfen, das zeigt die Quote für Aufsichtsräte. Was können oder müssen Unternehmen tun, um Frauen zu stärken?

Claudia Irsfeld: Unternehmen können für mehr Transparenz sorgen, das heißt Gehaltsmodelle und Gehaltsbänder entwickeln, die einer nachvollziehbaren Logik folgen, und sie verständlich kommunizieren.

herMoney: Sind Frauen selbst schuld, wenn sie sich auf die Mutterrolle fixieren?

Claudia Irsfeld: Jede Frau kann selbst entscheiden, was sie gerne machen möchte – und natürlich kann es auch eine Entscheidung für die reine Mutterrolle sein. Das Thema, das ich sehe, ist, dass es oft die Frau ist, die in dieser Situation ein wirtschaftliches Risiko trägt. Was wird für die Altersvorsorge dieser Frau getan? Wie wird eine mögliche Trennung abgesichert? Der ehemalige Partner hat in diesem Fall einen Job und kann für sich weiter sorgen. Sie hat vielleicht ein paar Jahre gar nicht mehr am Erwerbsleben teilgenommen. Wie wird dieses Risiko ausgeglichen?


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herMoney: Die Rolle in der Familie ist das eine, das Verhandeln von Gehalt das andere. Und da klafft oftmals eine riesige Lücke zwischen Theorie und Praxis. Ich weiß, was ich falsch mache – und bekomme es dennoch nicht hin, so zu verhandeln, dass ich mich wohl fühle und das Ergebnis stimmt. Was kann ich tun?

Claudia Irsfeld: Der erste Schritt ist es, anzuerkennen, dass es so ist. Dass ich Hemmungen habe, die dafür sorgen, dass ich die Verhandlungssituation vermeide. Es gibt gewisse Zuschreibungen – und ich bin schon einen ganzen Schritt weiter, wenn ich mir bewusst mache, was da wirkt.

herMoney: Was heißt das konkret?

Claudia Irsfeld: Sie können sich bewusst machen, wie Sie sozialisiert sind, wer in Ihrer Familie früher für das Geld verantwortlich war. Welche Glaubenssätze in Bezug auf Geld haben sich eingebrannt – ist Geld positiv oder negativ konnotiert? Männer sind da per se im Vorteil. Ihnen wird von klein auf Durchsetzungskraft, Willensstärke und Kompetenz zugeschrieben.

herMoney: Ein Mann, ein Bier – eine Frau, 1000 Möglichkeiten: Testosteron hilft bei der Entscheidungsfindung. Spielen auch die Hormone eine Rolle für den beruflichen Erfolg und das Verhandlungsgeschick?

Claudia Irsfeld: Meine Gegenfrage: Welche Eigenschaft oder Fähigkeit bringt denn Erfolg im Job? Wer sagt denn, dass erfolgreiche Führungskräfte nicht auch fürsorglich sein können? Wir gehen immer von dem klassischen Rollenbild aus, dem sich Frauen anpassen müssen, um erfolgreich zu sein. Wenn Frauen 1:1 in die männliche Rolle schlüpfen und erfolgreich sind, riskieren sie in der Regel Sympathiepunkte. Es hilft schon, sich dieses Dilemma bewusst zu machen. Wenn ich sehr fordernd auftrete, werde ich oft nicht als sympathisch wahrgenommen.  Wenn ich bescheiden auftrete, finden mich dagegen zwar alle sympathisch, aber mir wird keine Kompetenz zugesprochen.

herMoney: Oft zweifeln Frauen ja selbst an ihrer Kompetenz. Wie wichtig ist der Selbstwert?

Claudia Irsfeld: Sehr wichtig! Da hilft es nur, an sich selbst zu arbeiten. In Teamtrainings bitte ich die Teilnehmer, sich 12 Stärken aufzuschreiben. Was glauben Sie, wie die Reaktion ist?

herMoney: Ratlosigkeit?

Claudia Irsfeld: Genau! So viele Stärken zu benennen, fällt vielen schwer. Eine Teilnehmerin sagte mal, 12 Schwächen zu finden sei ja kein Problem, aber Stärken? Wer immer auf die Schwächen schaut, schwächt sich selbst. Deshalb rate ich dazu, sich wirklich sehr bewusst auf die Stärken zu fokussieren. Das kostet vielleicht zunächst Überwindung und erfordert Übung, aber die positiven Bilder prägen sich ein. Am Ende sind viele erstaunt, welche und wie viele Kompetenzen sie haben.

herMoney: Was kann ich noch tun, um besser zu verhandeln und gegen den Gender Pay Gap anzugehen?

Claudia Irsfeld: Klar ist: Keine Frau wird den Gender Pay Gap allein aus der Welt räumen, dennoch können auch Frauen ihren Beitrag dazu leisten. Ein individuelles Coaching kann helfen. Oft reicht es aber schon, einfach mal Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen, Freunde oder Partner zu fragen, welche Stärken sie in einem sehen. Auch ist es ratsam, Verhandlungssituationen zu simulieren und über Geld und Gehaltshöhen zu sprechen. Sehr wirkungsvoll ist auch ein schlaues Networking mit anderen Frauen. Frauen können ja für andere bestens verhandeln, das lässt sich doch hervorragend nutzen. Motto: Was kann ich für dich tun? Was du für mich? Und was gehen wir gemeinsam an?

Über Claudia Irsfeld

Claudia Irsfeld ist Personalleiterin in der Münchener Managementberatung 4C GROUP AG. In dieser Rolle führt sie Einstellungsinterviews, Gehaltsverhandlungen und Entwicklungsgespräche. Als zertifizierter Coach unterstützt sie vor allem Frauen in einem oft männlich geprägten beruflichen Umfeld. Mehr unter be-on-track.de.

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.