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„Lebe nie unter deinem Niveau!“ - Dr. Rebekka Reinhard über Macht und Philosophie

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Birgit Wetjen

Autorin

26. Juli 2018

Denken ist Macht – und der Schlüssel zur Freiheit, sagt Philosophin Dr. Rebekka Reinhard. Im Interview erklärt sie, warum.

herMoney: „Eine kleine Philosophie der Macht“ heißt Ihr letztes Buch, mit dem Zusatz: „nur für Frauen“. Haben Frauen ein Machtproblem?

Dr. Rebekka Reinhard: Für die meisten Frauen hat Macht noch immer einen negativen Beigeschmack – sie denken sofort an Manipulation, Unterdrückung und Konflikte – und an Männer. Oder an männlich geprägte Institutionen und Organisattionen…

…haben sie Unrecht?

Sie vergessen dabei, dass Macht an sich weder gut noch schlecht ist. Macht kommt von „machen“, „können” und „vermögen“ im Sinne von befähigt sein. Für mich als Philosophin bedeutet Macht, etwas hervorzubringen, zu erzeugen; also etwas gestalten zu können. Mächtig in diesem Sinne ist der- oder diejenige, der/ die etwas schaffen und mit seinem / ihrem Können auf andere einwirken kann.

Fehlt Frauen ein Machtinstinkt?

Bei dem Gedanken, Macht auszuüben, zucken Frauen oft zusammen.

Sie vergessen dabei, dass Freiheit, Anerkennung und Glück ohne Machtausübung gar nicht zu haben sind.

Gibt es in Bezug auf „Macht“ Unterschiede zwischen Frauen und Männern?

Männer neigen meist eher zum autonomen Streben. Frauen dagegen suchen tendenziell Kooperationen, sie streben nach dem „wir“ und folgen einer sozialen Orientierung – das heißt für sie: „Sinn”. Wir haben Jahrhunderte Patriarchat im Nacken. Auch wenn wir legal gesehen in Deutschland heute weitgehend Gleichberechtigung erreicht haben, glaube ich, dass unser Bewusstsein längst noch nicht so frei ist, wie wir denken oder wie es sein könnte. Wir sind vielfach noch zu stark von unreflektierten, unbewussten geschlechtsspezifischen Konventionen und Stereotypen geprägt.

Sind die tradierten Muster für Frauen eine Karrierebremse?

Sagen wir mal so: Erfolgreiche Frauen, die es im Konzern bis ganz nach oben gebracht haben, steigen häufig aus – es fehlt ihnen der Sinn. Die Anpassung an die Gegebenheiten der Macht in unternehmerischen Strukturen ist die Voraussetzung dafür, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. Damit Männer und Frauen sich gleichermaßen und jeweils nach ihrer Fasson einbringen und gestalten können, bräuchte es in den Konzernen jedoch komplett neue Identifikationsmöglichkeiten, was Macht betrifft – Diversity-Talk hin oder her. Ich glaube, Macht sollte in diesem Kontext künftig nicht nur heißen: Machtposition.

Müssen Frauen heute dicke Autos fahren, um Macht zu demonstrieren?

Sie sollten die Codes kennen. Aber ich wünsche mir, dass sie ironisch mit Machtsymbolen umgehen, sie also persiflieren. Und sich auf ihre eigene, spezifisch weibliche Art der Macht besinnen, ganz im Shakespear´schen Sinne: „All the world´s stage“.

Dr. Rebekka ReinhardIch frage mich ja oft, ob Angela Merkel je Bundeskanzlerin geworden wäre, wenn sie nicht als Mutti, sondern als blonde Schönheit dahergekommen wäre. Was meinen Sie? 

Frau Merkel ist ein absolutes Phänomen, ein Präzedenzfall mit spezieller Raffinesse. Sie kommt mit einer vermeintlichen Harmlosigkeit daher, beherrscht die Klaviatur der Macht aber perfekt. Und sie hat viel Humor, glaube ich.

Spielt das Äußere bei Frauen eine wichtigere Rolle als bei Männern?

…zumindest wird das suggeriert und Frauen spüren oft einen enormen Druck, diesen Rollenmustern zu entsprechen. In der Bilderwelt, in der wir leben, hat sich das noch einmal verstärkt – durch Instagram, Facebook und Co. hat das Äußere massiv an Bedeutung gewonnen. Aber eine schlanke Taille, eine faltenfreie Stirn oder aufgesprizte Lippen sind ja kein Wert an sich, auch wenn solchen Erscheinungen in unserer hyperkapitalistischen Welt oft mit einem Vorschuss-Bonus begegnet wird. Man glaubt allen erstens, äußere „Perfektion“ entspreche Tugenden wie Disziplin und Selbstkontrolle. Für ein gelungenes Leben kommt es aber auf die innere Haltung an. Ich muss wissen, wofür ich eigentlich lebe!

Die große Frage nach dem Sinn des Lebens! Lässt sich Sinn objektivieren?

Das ist kein rein objektiver Moment – Sinn muss gleichermaßen objektiv und subjektiv definierbar sein. Philosophen wie Aristoteles und Platon helfen bei der Suche nach dem objektiven Part, und auch in den fernöstlichen Kulturen kann man sehen, dass dort sehr ähnliche Vorstellungen von den „Zutaten“ zu einem guten Leben gelten.

Was macht denn ein gutes Leben aus?

Die Fähigkeit zu Mitmenschlichkeit und Liebe und dazu, Gutes in die Welt zu tragen – das ist der objektive Part. Ein gutes Leben muss aber auch subjektiv bestimmte Werte enthalten, ganz unabhängig vom Außen. Das ist übrigens auch ganz unabhängig vom Job. Egal, ob ich Taxifahrer, Bäcker, Altenpfleger oder Vorstandsvorsitzender bin: Die innere Haltung entscheidet darüber, ob ich sinnerfüllt und damit glücklich lebe.

Kann Philosophie dabei helfen, ein glückliches Leben zu führen?

Ich denke ja! Als freie Philosophin sehe ich meine Aufgabe darin, mehr Orientierung und damit Sinn ins Leben zu bringen und etwas Positives zu bewirken. Philosophie heißt für mich Freiheit – dabei geht es um die Macht der Gedanken beim „Selbstdenken“, wie Kant es nennt. Das Leben ist komplex und wir müssen uns zu irritierenden Dingen verhalten. Dazu braucht es Klarheit, und diese Klarheit zu erreichen, ist oft unbequem, anstrengend. Viele Menschen „lassen“ sich deshalb lieber leben, sie folgen dem „Man“, füllen Rollen aus und haben dann das Gefühl, keinen Gestaltungsspielraum zu haben. Sie schieben anderen die Verantwortung zu und glauben, der Partner oder der Staat müsse dafür sorgen, dass sie glücklich sind. Das funktioniert aber nicht. Die Frustration ist quasi vorprogrammiert.

Wir sind ja aber nicht nur Ratio, sondern auch Fleisch und Psyche. Sind die Gedanken nicht auch abhängig von Lebensumständen und Stimmungen?

Man kann sein Hirn wie jeden anderen Muskel trainieren und dann sind Gedanken weniger stimmungsabhängig. Es ist reine Übungssache, die Dinge kreativ anzuordnen, neugierig zu sein und Klarheit zu gewinnen und zu behalten. Viele Menschen treiben Sport, gehen ins Fitness-Studio – aber vernachlässigen es, ihr Hirn zu trainieren.

Klingt nach Programmierung. Sorgt das nicht für einen enormen Druck, wenn ich für alles selbst verantwortlich bin?

Warum denn? Im Gegenteil, denn das ermöglicht Freiheit!. Wir leben wieder in einer sehr konformistischen Zeit, viele Menschen ergeben sich bestehenden Strukturen und Systemen. Sie vertrauen auf Experten und haben ihren inneren Kompass verloren. Frauen zerreißen sich vielfach im Rollenwechsel zwischen tougher Business-Frau, fürsorglicher Mutter und attraktiver Partnerin. Ihnen wird suggeriert: Als moderne Frau MUSST Du das schaffen und dabei auch noch glücklich sein. Die Realität aber sieht anders aus.

Was raten Sie Frauen denn?

Sei frei im Denken und lebe nie und unter keinen Umständen unter Deinem Niveau – weder geistig noch menschlich. Liebe und Glück sind kein Geschenk von außen, sondern etwas Aktives, das ich selbst (mit)gestalten kann. Die wichtigste Kompetenz einer Frau heute ist deshalb weder ihr Verhandlungsgeschick, noch ihr Durchsetzungsvermögen oder ihre Empathiefähigkeit. Es ist ihre Fähigkeit, selbst zu denken! Sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden, wie sie leben möchte, worin sie selbst ihr Glück findet.

Ein weiteres Interview mit Rebekka Reinhard:

 

Rebekka Reinhard promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Seit 2007 ist sie als Führungskräfte-Coach sowie als Key Note Speaker für Unternehmen unterwegs. Reinhard ist zudem freie Redakteurin der Philosophie-Zeitschrift “Hohe Luft” und SPIEGEL-Bestseller-Autorin (u.a. „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder die Kunst des Irrens” und „Würde Platon Prada tragen?“). Zuletzt veröffentlichte sie ihren sechsten Buchtitel „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“ und „Nachdenkzeit 2018: 365 philosophische Denkanstöße“.

Zum Buch

 

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Titelbild: © Vera de Kok – CC-Lizenz

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.