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„Frauen haben kein erotisches Verhältnis zu Geld“

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Birgit Wetjen

Autorin

16. Oktober 2017

Wie Sie dem Unbewussten ein Schnippchen schlagen und mit Sinn investieren verrät Finanzberaterin Dr. Mechthild Upgang im Interview.


herMoney: Sie beraten vor allem Frauen in Sachen Finanzen. Was bieten Sie Frauen, was Männer nicht brauchen?

Dr. Mechthild Upgang: Frauen brauchen einfühlsame Erklärungen – vor allem wollen sie wissen, was der Nutzen ihres Handelns ist. Sie freuen sich, wenn sie Geld haben und etwas Schönes kaufen können. Aber Geld an sich hat für Frauen in erster Linie praktische Bedeutung.

herMoney: …ist das denn bei Männern anders?

Dr. Mechthild Upgang: Ja, ich erlebe häufig leuchtende Augen bei den Männern, wenn sie an das Geldvermehren denken. Frauen haben in der Regel kein erotisches Verhältnis zu Geld, sie verbinden mit Geldanlegen wenig Spaß. Wenn sie sich darum kümmern, dann nur deshalb, weil sie wissen, dass sie es müssen. Oft haben sie im Freundeskreis ein Scheidungsopfer, das plötzlich ohne finanzielle Mittel dasteht. Oder sie sind selbst frisch geschieden und stehen vor dem Nichts.

herMoney: Wie sieht eine „einfühlsame Erklärung“ bei Ihnen aus?

Dr. Mechthild Upgang: Zunächst versuche ich den Kundinnen den Zusammenhang zwischen Risiko und Renditeerwartung ganz praktisch aufzuzeigen. Tagesgeld birgt keine Risiken, aber es bringt eben auch keine Rendite…

 herMoney: …sind da denn auch die Verluste aufgeführt, die ohne Verzinsung nach Inflation entstehen?

Dr. Mechthild Upgang: Lacht. Gute Frage. Vor vielen Jahren hätte ich drastischere Beispiele für Verlustphasen gewählt. Aber eines habe ich im Laufe der Jahre gelernt: Wenn man zu drastisch wird und nur von Verlusten spricht, wenden sich die Frauen komplett ab und kommen dann vor lauter Angst nicht wieder. Besser ist es doch, nachzufragen, welche Verluste sie aushalten könnten und sie dort abzuholen, wo sie stehen.

herMoney: Das kann ich mir bei Ihrem Temperament kaum vorstellen..

Dr. Mechthild Upgang: …früher bin ich tatsächlich mit roter Fahne durch die Straßen gerannt, da hätte ich jede mit harten Zahlen konfrontiert. Doch damit erreichen wir nur einen Teil der Menschen. In der Hirnforschung hat man herausgefunden, dass das Unterbewusste 70000 mal schneller arbeitet als das Bewusste. Wenn ich also nach dem Risikomaß frage, antwortet immer die Ratio. Und wenn es dann konkret wird und das Depot plötzlich 15 Prozent im Minus ist, meldet sich das Unterbewusstsein – dann kommt Panik auf und schlimmsten Falls wird mit Verlust verkauft. Das bringt doch niemanden weiter!

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herMoney: Welche Argumente führen Sie denn ins Feld, um Frauen von aussichtsreichen Investments zu überzeugen?

Dr. Mechthild Upgang: Wir müssen über den Sinn der Vorsorge sprechen. Vorsorge heißt ja erst einmal Verzicht. Das ist wie bei einer Diät – wer abnehmen will, denkt ja auch nicht: Toll, zwei Kilo weniger. Vielmehr ist es der Sinn des Weniger, der motiviert – dann kann ich das schöne Kleid tragen und alle finden mich attraktiv. Genauso ist es bei der Geldanlage. Sparen ist Konsumverzicht – aber wofür?

herMoney: Sagen Sie es uns!

Dr. Mechthild Upgang: Bei Müttern ist es häufig naheliegend. Sie tun alles für ihre Kinder, opfern Freizeit und viel Geld. Ist es gut für die Kinder, wenn diese ihnen später Geld überweisen müssen, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht? Das ist eine Situation, mit der Mütter etwas anfangen können.

herMoney: Ist das nicht mindestens genauso brutal wie die nackten Zahlen?

Dr. Mechthild Upgang: Vielleicht, aber es ist lange nicht so abstrakt, sondern sehr konkret. Der Verzicht zugunsten der Vorsorge bekommt dann einen Sinn – ich will das Beste für meine Kinder erreichen. Den Kindern später auf der Tasche zu liegen wäre das Gegenteil. Das hieße zudem, dass das Geld für die Enkel fehlt. Und welche Mutter wünscht nicht auch das Beste für die Enkel? Dagegen soll mal jemand etwas sagen!

herMoney: Und was erzählen Sie jungen Frauen, die noch keine Kinder haben?

Dr. Mechthild Upgang: Vermögen ist Geld mal Zeit, wobei Zeit die wichtigere Größe ist. Klein anfangen und groß rauskommen ist deutlich besser, als andersherum. Das heißt, wir schauen, wie der finanzielle Spielraum ist, ob Risiken abgesichert sind und genug Liquidität zur Verfügung steht. Dann kann man peu à peu mit dem Vermögensaufbau beginnen.

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herMoney: Frauen bleiben nach der Geburt der Kinder oft zuhause oder arbeiten Teilzeit – mit Auswirkungen auf Einkommen und Rente. Ein Risiko?

Dr. Mechthild Upgang: Natürlich, niemand kann darauf vertrauen, dass eine Ehe ewig hält. Deshalb sollten Paare die Finanzen von Beginn an gemeinsam vertraglich regeln, damit der Nachwuchs für Frauen nicht zum finanziellen Risiko wird.

herMoney: Selbst hoch qualifizierte Frauen steigen für die Kinder aus dem Job aus und verdrehen die Augen, wenn man von finanziellen Verträgen mit dem Partner spricht…

Dr. Mechthild Upgang: Frauen haben gelernt, dass Ratio und Liebe zwei Paar Schuhe sind. Wir dürfen nicht vergessen: Frauen, die traditionell Geld gegen „Liebe“ getauscht haben, waren „Liebes“-Dienerinnen. Das will natürlich keine junge Mutter sein. Deshalb gibt es bei vielen Frauen einen tief verankerten Widerstand dagegen, per Vertrag „ihren Preis“ mit dem Mann festzusetzen.

herMoney: Und wie gehen Sie mit diesem Thema um?

Dr. Mechthild Upgang: Es nutzt wenig, dann über das Frauenbild diskutieren zu wollen. Schauen Sie sich im Fernsehen Filme von Rosamunde Pilcher und Co. an. Es sind nicht die taffen Karrierefrauen, die geheiratet werden – es sei denn, sie zeigen sich geläutert.

Im Beratungsgespräch ist zunächst Zurückhaltung angesagt. Deshalb frage ich einfach, was frau denn zu befürchten hat, wenn sie das Thema anspricht. Läuft der Mann dann weg? Fühlt sie sich einfach nur beschämt und schlecht? Wenn ich merke, dass ich hier nicht weiter komme, muss ich das akzeptieren und nach anderen Wegen suchen.

herMoney: Welche wären das?

Dr. Mechthild Upgang: Dann spreche ich mit den Frauen darüber, was sie alles leisten, z.B. indem sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen. Gemeinsam überlegen wir dann, welche staatlichen Förderungen gerade für sie in Frage kommen – zum Beispiel über Riester-Verträge . Ganz nach dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als nichts. Nicht selten kommen die Frauen auch Jahre später wieder, wenn sie frisch geschieden sind. Oft kommt es vor, dass sie dann sagen: `Hätte ich damals doch nur auf Sie gehört!´

herMoney: „Börse“ klingt in den Ohren vieler Frauen negativ – Aktien werden als riskant und unmoralisch empfunden. Können Sie das verstehen?

Dr. Mechthild Upgang: Ich kann das nachvollziehen, weil man immer wieder von Steuervermeidung, Tricksereien, überzogenen Bonuszahlungen etc liest. Aber dennoch möchte ich Frauen dazu motivieren, das etwas differenzierter zu sehen.

herMoney: …was sagen Sie Frauen, die vorgeben, Aktieninvestments nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können?

Dr. Mechthild Upgang: Das ist ganz einfach: Wer sein Geld auf ein Tagesgeldkonto legt, leiht der Bank Geld – und diese arbeitet damit. Die Anlegerin hat also keinen Einfluss darauf, was mit ihrem Geld passiert. Als Aktionärin hingegen können Sie entscheiden, in welches Unternehmen Sie investieren – und haben zudem ein Stimmrecht in der Hauptversammlung.

herMoney: Kann man als Aktionärin denn tatsächlich Einfluss nehmen?

Dr. Mechthild Upgang: Die Erfahrung zeigt, dass aktive Anleger/Innengruppen wirklich etwas bewegen können. Ich versuche, den Anlegerinnen den Unterschied zwischen einer Anleihe und einer Aktie bewusst zu machen: Mit einer Anleihe leihen Sie einem Staat, einer Organisation oder einem Unternehmen Geld und erhalten es (hoffentlich) nach der vereinbarten Laufzeit zurück. Sie bleiben also passiv. Mit einer Aktie hingegen beteiligen Sie sich an dem von Ihnen gewählten Unternehmen, können aktiv Einfluss nehmen und sind an den Gewinnen aber auch an den Verlusten beteiligt. Für dieses höhere Risiko wurden die Anlegerinnen in der Vergangenheit auch deutlich höher entschädigt als bei einer Anlage in Anleihen.

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herMoney: Können Sie Ihre Kundinnen damit überzeugen?

Dr. Mechthild Upgang: In der Regel schon. Vor allem das Argument, dass ihr Geld bei uns ausschließlich in nachhaltige Geldanlagen investiert wird, empfinden die Frauen als sehr entlastend. Das nimmt ihnen die Angst, dass ihr Geld in dubiose, unethische, unsoziale Geschäftspraktiken verwickelt ist.

Öko ist nicht gleich Öko

herMoney: Mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ wird auch viel Schindluder getrieben. Eine Freundin wollte mal in „German Pellets“ investieren – das sei ja schließlich „auch gut für die Umwelt“. Das Unternehmen ist inzwischen insolvent…

Dr. Mechthild Upgang: Was als „Öko-Investment“ daher kommt, lässt sich gut vermarkten. Vor allem diejenigen Anleger/innen, die sich nicht näher mit der Materie beschäftigen, fallen auf unseriöse Angebote rein. Sie prüfen dann nicht mehr, um welche Art von Anlage es sich handelt. Bei „German Pellets“ handelte es sich um eine sog. Nachranganleihe. Und wie der Name schon sagt, wird Geld verliehen und das im Nachrang – die eigenen Ansprüche werden also erst nach denen anderer Kreditgeber (z.B. den Banken) befriedigt. Anleger/innen ließen sich jedoch von den sehr hohen Zinsen und dem ökologischen Anstrich blenden und verloren dann viel Geld. Jede Anlegerin sollte sich vorher informieren, wie ihr Geld investiert wird um nachher nicht das Nachsehen zu haben.

herMoney: Was genau ist für Sie ein „nachhaltiges Investment“?

Dr. Mechthild Upgang: Bei einem nachhaltigen Investment werden neben den klassischen Kriterien Rendite, Risiko und Verfügbarkeit weitere Kriterien in der Finanzanalyse berücksichtigt: der Einfluss von Umweltfaktoren, sozialer Verantwortung und guter Unternehmensführung.

herMoney: Sie investieren ausschließlich in Fonds, die ja nach sehr unterschiedlichen Kriterien selektieren. Welchen Ansatz verfolgen Sie?

Dr. Mechthild Upgang: Da es keine einheitlichen Standards für die Zuordnung nachhaltiger Investmentfonds gibt, muss jede Anlegerin und natürlich auch jede Vermögensverwalterin jeden Fonds einzeln auf den Prüfstand stellen.

Wir haben eine Liste von Kriterien. Dazu zählt neben einem transparenten Nachhaltigkeitsansatz natürlich auch die Qualität des Fondsmanagements. Eine Anlegerin möchte ja auch eine ansprechende Rendite erzielen können. Last but not least achten wir auch auf die laufenden Kosten des Fonds. Denn diese haben ganz sicher Einfluss auf die Renditechancen. Ein Fonds mit einer Kostenbelastung, die jährlich ein Prozent höher liegt als ein Vergleichsfonds muss jährlich immer ein Prozent mehr Rendite erzielen!

herMoney: Woran erkenne ich denn, ob ein Anbieter es ernst meint?

Dr. Mechthild Upgang: Für mich muss der Prozess erkennbar und nachvollziehbar sein. Wie schon gesagt, da es keine verbindlichen Standards gibt, werden auch unterschiedliche Auswahlkriterien angewandt. Sie reichen vom verbreiteten „Best-in Class-Ansatz“ über Ausschlusskriterien bis hin zur Stimmrechtsausübung auf den Hauptversammlungen. Insofern muss man sich wirklich jeden Fonds genau ansehen und prüfen, ob dieser auch zu den eigenen Kriterien passt. Es gibt auch einige kleiner Fondgesellschaften, die sich auf nachhaltiges Investment spezialisiert haben und beispielswiese über einen unabhängigen Anlageausschuss verfügen und hohe ethische und soziale Standards bei der Auswahl der Titel anwenden.

Vor allem Stiftungen nehmen diesen Service gerne in Anspruch, da sie ihr Geld so anlegen möchten, dass es nicht im Wiederspruch zum Stiftungszweck steht.

Im Nachhaltigkeitsbericht 2017 stellte das Forum Nachhaltiger Geldanlagen (FNG) fest, dass 90% der Anlagen im Nachhaltigkeitsbereich von institutionellen Investoren (vor allem öffentliche Pensionsfonds, Kirchliche Institutionen und Wohlfahrtsorganisationen) stammen. Private Anleger/innen bilden die Minderheit.

Rendite mit gutem Gewissen

herMoney: Lässt sich denn mit nachhaltigen Fonds auch Geld verdienen?

Dr. Mechthild Upgang. Neben dem Aspekt Nachhaltigkeit soll natürlich auch das Anlageziel Rendite Beachtung finden. Dass sich dieses nicht widersprechen muss, belegen zahlreiche Studien.

Das ist ja auch leicht nachvollziehbar: Unternehmen, die zum Beispiel energieeffizient arbeiten und Ressourcen schonen, sind für zukünftige Herausforderungen gut gewappnet. Auch das Ziel: gute Unternehmensführung hat besonderen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, wie das Beispiel VW-Dieselskandal sehr deutlich zeigt.

herMoney: Welche Rolle spielen die Kosten bei der Geldanlage?

Dr. Mechthild Upgang: Kosten sollte man immer beachten – denn nur eines ist in Zukunft sicher: die Kosten! Oft jedoch wird dann „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, wenn ausschließlich von Kosten gesprochen wird.

herMoney: Sie meinen, die Kostendiskussion wird übertrieben?  

Dr. Mechthild Upgang: Man muss auch darüber sprechen, wer sich dauerhaft um die Anlage kümmert. Eine Anlegerin, die beispielweise ausschließlich in die sehr kostengünstigen ETF´s investieren möchte, muss sich dann auch selbst um die Fondsauswahl kümmern und ihre Investments laufend überwachen.

Kann oder möchte sie dafür keine Zeit aufbringen, wird sie andere dafür bezahlen müssen. Sei es die sog. RoboAdvisors, bei denen die Anlegerin direkt via Internet ihr Depot eröffnet und wo dann fortan die Roboter die Anlagestrategie überwachen. Oder eben die Anlageberaterin, die sich Zeit für das persönliche Gespräch nimmt, einen individuellen Anlagevorschlag erarbeitet und die Anlagen dann auch später überwacht. Über diese Kosten sollte dann gesprochen werden, so dass jede Anlegerin den „Deckel für ihren Topf“ finden kann.

 

Dr. Mechthild Upgang ist Zert_FP ©Zertifizierte Finanzberaterin, Fachberaterin für nachhaltiges Investment und Vorstand der Dr. Upgang AG. Die Autorin der Bücher „Finanzratgeber für Frauen“ (Fischer TB) und „Gewinn mit  Sinn“ (oekom Verlag) berät seit fast 30 Jahren vorwiegend Frauen auf ihrem Weg zur finanziellen Selbständigkeit. Upgang ist zudem Gründungsfrau und Ehrenpräsidentin des Bundesverband der Finanzexpertinnen (BuF) e.V., der deutschlandweit mit einem Beraterinnennetz vertreten ist.

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.