Steuerfabi: „Steuern sind nichts Schlechtes.“
22. Februar 2023
Fabian Walter, bekannt als Steuerfabi, erklärt, wann sich Steuererklärungen und -beraterInnen lohnen und gibt seine besten Spartipps.
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Bei einer Handtasche von einer Sachwert-Anlage zu sprechen, führt viele auf die falsche Fährte. Warum das Investment teuer werden kann.
Inhalt:
Manche Investments hören sich exotisch an: Eine Rinderherde in Uruguay, Kiri-Bäume in Kroatien, Jojoba-Plantagen in Brasilien, Sandelholz in Indien … Der Geruch der großen, weiten Welt schwebt über solchen Investments und jede Investorin muss aufpassen, ihr Gehirn davon nicht benebeln zu lassen.
Aktuell wird ein Investment angeboten, das sehr auf Frauen zugeschnitten ist und daher auch weiblichen Anlageberaterinnen zum Mit-Vertrieb angeboten wird: Handtaschen. Viel weiblicher geht’s kaum!
Es handelt sich bei diesem Investment aber nicht um irgendwelche Trage-Beutel zum Heimschleppen des Wocheneinkaufs. Eine „Luxus-Handtasche“ sei das Angebot, jedes Exemplar „einzeln zertifiziert, nummeriert und von einem Notar urkundlich erfasst“. Außerdem fand die Ledergerbung unter Zuhilfenahme eines echten Champagnerbades statt! Ich habe keine Ahnung, ob Champagner Leder nun guttut oder nicht.
Aber als wäre das nicht genug, hier der Knüller: Jede einzelne trägt ein individuelles Geheimnis in sich: Es ist nämlich ein 3 x 1 cm großes Stück eines Original-Schriftstückes, wie einem Liebesbrief, einer „weltberühmten historischen Persönlichkeit“ darin eingenäht. Beispielhaft erwähnt sind Marlene Dietrich, Charles Lindbergh, Kaiserin Maria Theresia, Charles Dickens und Grace Kelly.
Das Liebesbrief-Fitzelchen in der hochwertigen Damen-Handtasche kommt zu einem gesalzenen Preis! Frau sollte mit einem Preis ab 1.950 Euro für eins dieser „äußerst seltenen und begehrten“ Stücke rechnen, oder 25.000 Euro für ein „ganzes Sammel-Konvolut“, heißt es in einer Mitteilung von Sekrè mystery bag.
Ja, warum eigentlich nicht? Wenn einer Frau diese Idee gefällt, sie das Geld hat und ihr das Tragen einer solchen Tasche mit eingenähtem Geheimnis Vergnügen bereitet, soll sie sich die Freude machen! Langlebig soll das gute Stück auch sein, da es aus hochwertigem Leder ist. Heute spricht man wohl politisch korrekt von „nachhaltig“, denn die Tasche könne über Generationen weitergereicht werden, erklärt der Hersteller. Allerdings: Vegane Kritikerinnen könnten sich am Material Leder stören …
Was mich betrifft: Ich bekomme lieber selbst einen romantischen Liebesbrief oder eine heiße WhatsApp von meinem Schatz, als dass ich ein Liebesbrief-Fragment eines längst verstorbenen Casanova mit mir herumtrage. Aber die Geschmäcker sind eben verschieden!
Abgesehen davon, dass wir Frauen unterschiedliche Geschmäcker haben (zum Glück!), suggeriert Sekrè mystery bag, der Kauf eins der Exemplare sei eine „Sachanlage“.
Hier gilt es aufzupassen, denn von „Sachwertanlagen“ wird derzeit höchst positiv gesprochen, weil Geldanlagen angesichts der extrem niedrigen Zinsen eben nichts oder nicht viel bringen. Deshalb ist es richtig, wenn jemand dazu rät, ganz oder teilweise die Finger von Null-Zins-Null-Spaß-Anlagen zu lassen. Statt Sparbücher, Sparbriefe, Kapital-Lebensversicherungen oder Bauspar-Verträge könnten sich Sachwert-Anlagen lohnen.
Traditionell versteht man unter „Sachwert-Anlagen“ aber Aktien, Immobilien und vielleicht auch noch Gold. Aber die Firma mystery bag erklärt, dass sich mit dem Kauf eines „Sammel-Konvoluts“ dieser Taschen ein „Sachanlage-Portfolio sinnvoll ergänzen und aufbauen“ ließe. Das scheint mir wirklich mysteriös.
Liebe Leserin, haben Sie schon einmal versucht, Kleidung, Handtaschen oder Schuhe bei ebay zu verkaufen? Ja? Und wie viel Gewinn haben Sie dabei gegenüber dem Neupreis gemacht? Falls Sie jetzt in Begeisterung ausbrechen, beneide ich Sie, denn Sie müssen ein Verkaufsgenie sein! Meine Erfahrung ist die, dass ich froh sein konnte, wenn ich für gut erhaltene Marken-Sachen 20 % des Neupreises erzielen konnte. Bei diesen Luxus-Handtaschen soll das anders sein … Warum?
Ja, ich weiß auch, dass hier und da eine Birkin Bag oder eine Kelly Bag von Hermès enorme Preise erzielt, wenn man sie überhaupt ergattern kann. Aus mir unerfindlichen Gründen zahlen Teenager heute auch für ein Paar Sneaker irre Preise, wenn irgendein Sport-Superstar sie trägt. Aber das sind ja sehr seltene Fälle.
Der Hersteller der Edel-Taschen berichtet von einer Dame, die offenbar eine der Taschen auf einer internationalen Auktion angeboten und den „Rekordpreis“ von 7.000 Euro erreicht hätte. „Für die Einreicherin ergab sich daraus fast eine Verdreifachung ihres Anschaffungspreises“, heißt es dort.
Wir wissen natürlich nicht, ob jemand aus dem Umfeld der Dame bei der Preisfindung nachgeholfen hat oder ob es sich tatsächlich um das freie Spiel der Marktkräfte gehandelt hat, das zu einem solch hohen Preis führte. Aber die Aussage, dass im Segment der Handtaschen ein „kontinuierlicher Wertzuwachs die Regel“ sei, verwundert dann doch.
Der Gründer des Start-up-Unternehmens Mystery Bag International heißt Thomas Huber. Früher arbeitete er für die Marketing-Agentur Euro RSCG (heute Havas Worldwide), die sich um strategische Markeneinführungen kümmert. Die Agentur betreute damals auch den Uhrenhersteller Swatch und steuerte den Swatch Collectors Club, um das Sammelthema des Kunststoffuhren-Herstellers anzufachen. Nun hat sich Herr Huber also offenbar in den Kopf gesetzt, die Damenwelt mit edlen Taschen zu beglücken.
Das ist prima! Ihnen aber einzureden, bei diesem teuren Mode-Accessoire handle es sich um einen Wertgegenstand, bei dem die Preissteigerung quasi vorprogrammiert sei, ist eine Luftblase, die man glauben kann oder nicht.
In Hubers Werbebrief werden Beraterinnen ermuntert, die Taschen in ihre Vertriebspalette aufzunehmen: „Damit schaffen Sie willkommene Anlässe für neue Gesprächstermine und Ihre Kundinnen werden begeistert sein, weil Kapitalanlage anfassbar wird“. Ach ja, man darf die Taschen sogar anfassen?! Darüber hinaus winken auch „äußerst attraktive Vermittlungsprovisionen“.
Nicht wenige Frauen halten das Investment in einen breit streuenden Fonds, was wir sehr empfehlen, bereits für eine Hoch-Risiko-Geldanlage. Diesen Frauen muss leider gesagt werden: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine auf raren Luxus-Artikel getrimmte Handtasche im Preis steil nach oben schießen wird, ist deutlich geringer, als dass ein Aktienfonds eine Wertsteigerung erfährt. Luxus, der uns Spaß macht? Ja, gerne! Aber bei aller Liebe für Startup-Unternehmen, neue kreative Ideen und Luxus: Hier ernsthaft von einem Sachwert-Investment zu sprechen, halten wir dann doch für einen Marketing-Gag!
Wenn Sie nach einer soliden Alternative zu Sparbüchern suchen, sind vielleicht ETFs etwas für Sie. Mehr dazu in unserem “ETF-Guide für Frauen“.