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Frugalismus: Eisern zur finanziellen Freiheit?

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Anke Dembowski

Autorin

16. September 2022

Frugalisten sparen eisern, um mit 40 oder 50 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Wie funktioniert das? Und: Ist das erstrebenswert?

Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

Frugalisten sparen einen Großteil ihres Einkommens – gerne 60 bis 70 Prozent, um finanziell so unabhängig zu werden, dass sie sich einen frühzeitigen Austritt aus dem Erwerbsleben leisten können.

Selbstdisziplin mehrt das Vermögen

Frugalisten kommen ohne die vielen „Must haves“ der Konsumgesellschaft aus, scheinen aber trotzdem ein schönes Leben zu haben.

Ich finde die Idee, nicht bis 67 oder vielleicht noch länger arbeiten zu müssen, interessant. Darum recherchierte ich zu dem Thema und las häufig, dass Frugalisten mit eisernen Methoden sparen würden. Das klingt aus meiner Sicht wenig prickelnd.

Aber die Idee, dass ich es selbst in der Hand habe, den Zeitpunkt meines Ruhestands zu bestimmen, klingt verlockend . Damit wäre ich  unabhängig davon, was unsere Regierung in den kommenden Jahren an Gesetzesänderungen verabschieden wird oder wie es mit der Bevölkerungsentwicklung weitergeht. Beides kann ich schließlich kaum beeinflussen.

Was bedeutet “Frugalismus”?

Frugalisten sparen einen Großteil ihres Einkommens – gerne 60 bis 70 Prozent, um finanziell so unabhängig zu werden. Dadurch können sie sich einen frühzeitigen Austritt aus dem Erwerbsleben leisten. „Was, dann kann ich ja nur 30 bis 40 Prozent meines Einkommens ausgeben! Das geht nicht!“, war meine erste Reaktion. Wer freut sich schon, wenn es um die Themen Sparen und Einschränken geht? Aber mir geht das Herz bei Themen wie Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit auf.

Bittere Erkenntnis: Frugalisten müssen das Kombi-Paket „Sparen und Unabhängigkeit“ nehmen, um mit 40 oder 50 Jahren finanzielle Freiheit zu erreichen.

Verabschieden vom Konsum-Wahn: Wie leben Frugalisten?

Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass in der Werbung vor allem in uns Frauen die Lust auf Konsum geweckt werden soll: Die noch bessere (aber sicher nicht billige) Rasierklinge, das erholsame Wellness-Wochenende in den Bergen, die hübsche Edel-Handtasche oder das besonders tolle Auto.

Das soll die Konsumlust anfachen und uns die Euro-Scheine reihenweise aus der Tasche locken. Fast jeder Zehnte Erwachsene in Deutschland ist übrigens überschuldet!

Frugalisten kommen ohne die vielen „Must haves“ der Konsumgesellschaft aus, scheinen aber trotzdem ein schönes Leben zu haben. „Als Student bin ich immer mit ein paar Hundert Euro im Monat über die Runden gekommen und hatte eine super Zeit. Warum sollte ich jetzt, wo ich arbeiten gehe und Geld verdiene, plötzlich so viel mehr ausgeben?“, fragt sich der 29-jährige Frugalist Oliver in seinem Blog auf frugalisten.de. Nun ja, der Begriff „Frugal“ stammt von dem lateinischen Wort „frugalis“, was auf Deutsch „bieder, ordentlich und wirtschaftlich“ bedeutet.

Das Thema hatte mich schon berührt, als ich einen Fernsehbericht über Mikro-Wohnen gesehen habe. Dort wurde über Menschen berichtet, die in Großstädten auf kleinstem Raum sehr effizient, aber auch minimalistisch eingerichtet sind. Das so für die Wohnung eingesparte Geld wandelten die befragten Mikro-Wohner in Freizeit um, weil sie weniger arbeiten müssen. Ihre Augen funkelten, als sie über all die schönen Aktivitäten sprachen, die sie in ihrer Freizeit ausüben. Als die Anhänger des Mikro-Wohnens berichteten, wie großartig es sich anfühlt, Muße und weniger Belastung durch Dinge zu haben, wurde ich fast ein bisschen neidisch.

Ich dachte an die Umstände, die es mir bereitet, wenn ich im Frühjahr meine Wintermode aussortiere und in das Kabuff bringe und meine Sommermode aus Selbigem heraushole. Minimalismus-Anhängerinnen müssen nur zwei oder drei Pullis gegen zwei oder drei Blusen austauschen, die Winter-Boots verstauen und die Riemchensandalen vorziehen, und zack – sind sie fertig! Vielleicht ist weniger gar nicht weniger?

Frugalisten-Tipp: 50 % des Gehalts sparen, dann finanziell frei sein

Frugalisten machen es ein wenig anders als die in dem Fernsehbericht beschriebenen Mikro-Wohner, die sowohl ihre (Wohn-)Ausgaben als auch ihre Arbeitszeit reduziert hatten. Frugalisten suchen sich einen oder mehrere möglichst gut bezahlte Jobs, um viel Geld zu verdienen. Und jeder der verdienten Euros, der nicht zwingend benötigt wird, wandert auf die hohe Kante.

„Sparquote? Alles unter fünfzig Prozent ist Pipifax!“, schreibt Oliver in seinem Frugalisten-Blog. Die Ersparnisse wandern in ETFs und andere Fonds und wachsen durch den Zinseszins-Effekt über die Zeit zu einem komfortablen Finanzpolster an.

Wie der Zinseszins funktioniert, kannst du mit unserem Zinseszinsrechner selbst ausprobieren:

Damit erarbeiten sich Frugalisten die Freiheit, später auf einen Halbtagsjob zu wechseln, eine längere Auszeit zu nehmen oder einfach weiterzuarbeiten und dann mit 40 oder 50 in Rente gehen zu können.

Verlockend: Abschied vom Standard-Lebensentwurf

Dieser Oliver ist noch jung. Sein Ziel ist es, spätestens zu seinem 40. Geburtstag „finanziell unabhängig“ zu sein, was er für sich mit einem Vermögen von 350.000 bis 500.000 Euro definiert. Ehrlich gesagt, wäre für mich „finanzielle Unabhängigkeit“ unter einer Million nicht denkbar, aber das kann jeder für sich bestimmen.

Aber zu Olivers jungem Alter: Der Blogger „Finanzwesir“ erklärt, dass Vermögen in den 20ern gemacht werden. „Nie wieder im Leben steigen die Einnahmen in so kurzer Zeit so schnell an. Vom Lehrlings- zum Gesellengehalt, vom studentischen Jobber zum Jung-Ingenieur oder Junior-Consultant, das bringt was auf der Einnahmenseite“, so seine nachvollziehbare Argumentation. Sein Tipp, um zu Ziel zu kommen:

  1. seine Kosten möglichst lange auf Lehrlings- oder Studi-Niveau zu halten
  2. das Geld sinnvoll anzulegen
  3. den Zinseszins-Effekt ausspielen.

Ich wähle den Mittelweg. 🙂

Das sind gute und interessante Erkenntnisse für Leserinnen in den 20ern, aber ich bin über die 20er hinaus. Trotzdem ziehe auch ich Konsequenzen aus der Beschäftigung mit Frugalismus: Ich möchte keine Frugalistin werden, weil mir Konsum Spaß macht! Auf der anderen Seite sehe ich ein, dass ich jeden einzelnen Euro entweder sparen oder ausgeben kann und dass zu viele Dinge am Ende belastend sind. Und eine kleine Bremsung kann ich gebrauchen.

Also verordne ich mir, künftig mindestens ein Mal pro Woche einen Frugalisten-Blog zu besuchen und darin zu lesen. Das wird mich erden und hoffentlich vor den schlimmsten Konsumsünden bewahren, sodass ich ebenfalls finanziell frei werde, später als Oliver. Aber jetzt gehe ich erst mal mit Freunden schick essen.

Zum Weiterlesen: Unser Artikel über “5 Schritten zur finanziellen Unabhängigkeit” erklärt, wie du dein Vermögen ohne Einschränkungen aufbaust.

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Anke Dembowski

Autorin

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Geschäftsführerin des Netzwerks „Fondsfrauen".