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DIW-Expertin Dr. Elke Holst: „Die Quote greift!“

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Birgit Wetjen

Autorin

10. Mai 2018

Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt? Weit gefehlt, sagt Gender-Forscherin Dr. Elke Holst vom DIW. Im Interview sagt sie, wo es hakt!

herMoney: Sie sind als Ökonomin auf Gender-Themen spezialisiert. Kann man sich mit dieser Ausrichtung Sporen verdienen – oder wird man in der Fachwelt eher belächelt?

Dr. Elke Holst: (lacht) Mit Gender-Forschung lässt sich als Ökonom*in eher kein Blumentopf gewinnen, aber es wird eindeutig besser.

Schön, dass Sie sich dem Thema dennoch gewidmet haben. Was hat Sie damals motiviert?

In den 70er Jahren begannen Frauenthemen en vogue zu werden. Da gab es auch viele Frauendemos. Aber im Job später sah das anders aus. In dieser „wirklichen“ Welt kamen Frauen in höheren Positionen kaum vor. Ich habe Volkswirtschaft studiert und in meinem Abschluss-Jahrgang waren gerade einmal zehn Prozent Frauen. Entsprechend sah es in den Unternehmen aus. Bei meinem ersten Arbeitgeber, der damaligen Dresdner Bank, spürte ich dann schnell, was mir bevorstehen würde.

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Haben Sie sich dort schon für Gender-Themen eingesetzt?

Nein, ich habe kurzerhand gekündigt, noch ein paar weitere berufliche Erfahrungen gesammelt und bin dann nach Guatemala gezogen. Dort habe ich eine Strandbar eröffnet. Eine spannende Erfahrung, aber nach einem Jahr zog es mich zurück.

1987 haben Sie als Volkswirtin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung angefangen. Wann haben Sie spürbares öffentliches Interesse an Gender-Themen gespürt?

Das Thema kam in Wellen. Nach der Jahrtausendwende klopfte eine Abteilungsleiterin aus dem Frauenministerium bei mir an und bat mich, mehr Informationen zu Frauen in Führungspositionen bereitzustellen. Es gab damals noch keine validen Zahlen und aus den Unternehmen hörte man nur, es gäbe doch schon so viele Frauen in Top-Positionen. Wir haben dann seit 2005 den Indikator Frauen in Vorstands- und Aufsichtsräten veröffentlicht und mit dem Managerinnen-Barometer sowie dem Führungskräfte-Monitor das Gegenteil gezeigt.

Das Managerinnen-Barometer misst Trends bei der Besetzung von Spitzenpositionen in großen deutschen Unternehmen durch Frauen und Männer. Sind wir auf einem guten Weg Richtung Parität?

In den Aufsichtsräten geht es vorwärts. In den Vorständen hingegen sind nur wenige Frauen vertreten. Die Entwicklung gleicht einem Ritt auf der Schnecke! Das Problem ist, dass die gläserne Decke nicht erst auf Vorstandsebene ansetzt, sondern Frauen schon viel früher, nämlich in der Familienphase, aus dem Career-Track rausfallen. Mütter sind zunehmend erwerbstätig, aber jede Zweite arbeitet in Teilzeit. Karriere aber ist noch immer an typischen Männerbiografien ausgerichtet –  Teilzeit ist damit meist ein Karrierekiller. Wenn man bedenkt, welche Entwicklungen es im Bereich Ausbildung in den vergangenen Jahrzehnten gegeben hat, hat sich in Punkto Führung und Bezahlung unter dem Strich nur recht wenig getan. Es ist dringend notwendig, dass sich die Kultur in den Unternehmen ändert.

Seit 2016 gibt es eine Frauenquote für Aufsichtsräte – neu zu besetzende Posten müssen bis zu einem Anteil von 30 Prozent mit Frauen besetzt werden. Wirkt die Quote?

 Die Quote greift. In den 100 Unternehmen, die seit 2016 an die Quote gebunden sind, sind die Aufsichtsräte zu 30 Prozent mit Frauen besetzt. In manchen Unternehmen sind sogar mehr als 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten vertreten. Erstmals gibt es dieses Jahr – bei Henkel – sogar eine weibliche Doppelspitze im Aufsichtsrat. In der großen Masse der nicht von der verbindlichen Quote betroffenen Unternehmen geht es langsamer voran. In den Vorständen liegt der Frauenanteil gerade einmal bei acht Prozent. Die erhoffte Signalwirkung blieb bislang aus.

Aufsichtsräte kommen von außen, sie zwingen ein Unternehmen gewöhnlich nicht, weibliche Führungskräfte aufzubauen. Warum gibt es keine Quote für Vorstände?

Die Unternehmen sträuben sich gegen gesetzliche Vorgaben, weil das als Eingriff in die Unternehmenspolitik verstanden wird. Sie bevorzugen die Selbstverpflichtung. Die Entwicklung zeigt jedoch, dass sich auf freiwilliger Basis kaum etwas bewegt. Politische Steuerung scheint mir deshalb unverzichtbar.

Welche Maßnahmen wären neben der Quote erforderlich, um die Karriere- und Einkommenschancen von Frauen zu verbessern?

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Es darf kein Karrierekiller sein, wenn jemand in der Rushhour seines Lebens kürzer arbeitet – etwa um Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Da müssen die Unternehmen deutlich flexibler werden und den Mitarbeiter*innen mehr Zeitsouveränität ermöglichen. Bisher ist die Arbeitswelt noch sehr stark auf das althergebrachte männliche Erwerbsmodell zugeschnitten. Warum aber sollten nicht beide, Mütter und Väter, ihre Arbeitszeit zum Beispiel auf 80 Prozent reduzieren – wie es etwa bei der Familienarbeitszeit angedacht ist, bei der der Staat mögliche Einkommensverluste bis zu einer bestimmten Höchstgrenze ausgleicht – anstatt dass Frauen nach der Geburt von Kindern kürzer und Männer dafür länger arbeiten, um die Einkommenseinbußen auszugleichen? Diesen Nachteil im Beruf können Frauen später nicht mehr aufholen.

Was kann Politik tun?

Der Staat muss die Rahmenbedingungen setzen. Wir brauchen zuerst einmal eine Politik aus einem Guss, bisher widersprechen sich die Anreizwirkungen. Das Ehegattensplitting verleitet Frauen dazu, ihre Arbeit zu reduzieren oder zu unterbrechen – und wenn die Ehe in die Brüche geht, zahlen sie die Zeche, denn es gilt: „Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen“ (§ 1569 BGB). Die Unterhaltsansprüche sind heute zeitlich befristet und fallen deutlich geringer als vor der Reform des Unterhaltsrechts 2008. Natürlich ist auch ein bedarfsgerechter und qualitativ guter Ausbau der Kinderbetreuung notwendig. Hilfreich wäre zudem die genannte Familienarbeitszeit, die beide Elternteile einbezieht. Auch der Ausbau der Vätermonate in der Elternzeit fördert das Engagement der Väter zuhause.

Wie wichtig ist es Frauen denn eigentlich, Karriere zu machen?

 Es ist sehr wichtig. Nur so können sie mitgestalten – mal ganz abgesehen davon, dass in Führungspositionen auch mehr gezahlt wird. Oft wird gesagt, dass Frauen auf dem Karriereweg mehr als Männer leisten müssen. Ein Grund dafür sind bestehenden Geschlechterstereotype. In der Wissenschaft wurde gezeigt: “Think manager-think male“. Während ein erfolgreicher Mann ganz in seiner Rolle bleibt, gehen erfolgreiche Frauen erstmal überkreuz mit ihrer Geschlechterrolle…

Wie das?

Sind Frauen erfolgreich, kann das ja nicht sein und ihnen wird dann oft auch noch das Frausein abgesprochen… „Mutti“ Merkel ist ein Beispiel. Dasselbe Verhalten von Frauen und Männern wird im Beruf noch viel zu häufig unterschiedlich bewertet. Was bei Männern als stark und dominant gilt, macht eine Frau zum Mannweib. Ist sie selbstbewusst und durchsetzungsfähig, hat sie nicht selten „Haare auf den Zähnen“. Das ist für viele Frauen zu anstrengend, es hilft aber nichts, da müssen wir durch. Mit mehr Frauen in Führungspositionen wird es denn ja auch immer besser. Wir sind auf einem guten Weg.

Was stimmt Sie denn optimistisch, dass Frauen irgendwann gleiche Chancen am Arbeitsmarkt haben werden?

Unternehmen können es sich zukünftig gar nicht leisten, auf gut qualifizierte Frauen zu verzichten. Und auch der Druck auf die Politik hat zugenommen. Die alte Arbeitsteilung hat stets funktioniert, weil Frauen weit weniger Bildung als Männer hatten. Das hat sich deutlich verändert. Frauen lassen sich heute nicht mehr so einfach verdrängen. Sie bauen starke Netzwerke auf und ziehen weitere Frauen nach.

 

Dr. Elke Holst

Frau Dr. Elke Holst ist Forschungsdirektorin für den Bereich Gender Studies am DIW Berlin. Sie beschäftigt sich mit der Aufdeckung, Erklärung und Reduzierung von sogenannten Gender Gaps auf dem Arbeitsmarkt, also den Unterschieden etwa in den Aufstiegschancen und Verdiensten zwischen Frauen und Männern und hat hierzu zahlreich publiziert. Für sie sind Chancengleichheit und Augenhöhe zwischen den Geschlechtern Voraussetzung für eine echte Gleichstellung.

 

 

 

Mehr über den Sinn von Quoten erfahren Sie im Podcast mit Monika Schulz-Strelow, die maßgeblich zur Einführung der Frauenquote beigetragen hat:

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.

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