Gratuliert man eigentlich zum Weltfrauentag?
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Helma Sick, die Ikone der Frauen-Finanz-Bewegung, erzählt, wie sie immer wieder den Mut hatte, aufzustehen und weiterzumachen.
Leserinnen von herMoney kennen sie sicher: Helma Sick. Sie schrieb das berühmte Buch „Ein Mann ist keine Altersvorsorge.“* Ihr langjähriges Engagement dafür, dass Frauen ihr eigenes Geld haben sollten, legte den Grundstein der heutigen Female-Finance-Bewegung. Sie hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem eines über ihr Leben „Aufgeben kam nie in Frage“*. Der Titel ist Programm!
Wer Helma Sick live treffen möchte, kann das auf dem herMoney Festival 2023 am 6. Mai in München. Sie ist eine unserer Keynote-Speakerinnen! Hier geht es zum Ticket-Shop.
herMoney hat vorab mit Helma Sick über ihr Leben und ihr Engagement gesprochen.
herMoney: Du hast es aus einem kleinen Dorf in Niederbayern in die Großstadt München geschafft. Eine Mutter, die, wie du beschreibst, dich nicht mochte und dich immer klein gehalten hat. Ein Vater, der dich mehr geliebt hat als man ein Kind lieben sollte. Ein Studium wurde dir nicht gestattet, du wurdest Sekretärin. Woher hast du die Kraft genommen, konsequent dein Leben in deinem Sinne zu gestalten?
Helma Sick: Ich hatte wirklich viele Anfangsschwierigkeiten. Als Kind wurde ich von meiner Mutter nicht geliebt, sondern immer nur gedemütigt. Da kann man entweder untergehen oder sich aufmachen. Mich hat die Wut beflügelt. Ich war wahnsinnig wütend. Aber das war keine destruktive, zerstörerische Wut, sondern eine konstruktive Wut. Ich wollte es allen zeigen: Ihr werdet schon noch sehen, dass aus mir was werden kann! Aber es war ein mühsamer Weg. Ich durfte kein Abitur machen und hatte nur mittlere Reife. Deshalb konnte ich auch kein Studium absolvieren. Ich wurde dann Sekretärin, später Chefsekretärin und Sekretärin des Vorstands in dem größten Baukonzern Deutschlands. Da war ich angesehen und habe sehr gut verdient. Aber ganz befriedigt hat mich das auf Dauer nicht.
Dass du diese Wut genutzt hast, finde ich bemerkenswert.
Da steckte aber auch Arbeit dahinter. Mir ging es psychisch nicht gut, nach allem, was ich erlebt habe. Ich hatte sehr viele Minderwertigkeitskomplexe und Ängste. Als ich nach München gekommen bin, habe ich sehr schnell eine Psychotherapie begonnen. Dadurch hat für mich ein neues Leben begonnen. Ich habe Güte, Verständnis, Hilfe, Ermunterung und Heilung erfahren. Das kannte ich davor nicht. Ich bin heute noch dankbar dafür, dass ich eine sehr gute Therapeutin hatte.
Du hast auch in deinem Buch sehr schön beschrieben, dass du die Bereitschaft hattest, dich deinen Ängsten zu stellen: Zum Beispiel hattest du Angst vor der Dunkelheit. Und trotzdem hast du dir ein Haus am Waldrand gekauft. Was hat dir bei der Überwindung deiner Ängste geholfen?
Bei diesem Haus ging es um Ferienhaus in Österreich. Als ich noch mit meinem Mann zusammen war, hatten wir immer ein Ferienhaus. Als ich mich dann scheiden lassen habe, sagte mein Mann: „Du wirst nie wieder so etwas besitzen, du mit deinen Ängsten.“ Und da dachte ich mir, das werden wir noch sehen. Warum soll ich auf etwas verzichten, das mir Freude gemacht hat, nur weil ich diese Angst vor der Dunkelheit habe? Und so habe ich das dann ausprobiert. Am Anfang war es furchtbar. Das ständige Rauschen und Brausen des Waldes im Hintergrund. Das Geschrei der Tiere in der Nacht. Was noch schlimmer war, in meiner ersten Nacht habe ich aus Versehen einen Krimi mitgenommen, indem eine Frau alleine in einem Haus lebte und ein Mörder frei herum lief. (lacht)
Aber ohne Spaß: Ich bin nie vor meiner Angst zurückgewichen. Ich wollte nicht Opfer sein. Ich wollte die Angst beherrschen. Wenn ich anfange, die Angst mein Leben bestimmen zu lassen, dann habe ich schon verloren. Das war eine ganz wichtige Erkenntnis für mich. Ich habe mich immer meinen Ängsten gestellt und bin dann auch darüber hinaus gewachsen.
Was für eine starke Aussage von dir. Du hast immer wieder Verantwortung für dich und dein Leben übernommen. Beruflich, als du das erste Frauenhaus in Deutschland geleitet hast, oder später, mit deiner Selbständigkeit als Finanzberaterin. Privat, indem du Beziehungen beendet hast, die dir nicht guttaten. Ich beobachte, dass viele – vor allem Frauen – sich immer noch in Abhängigkeit begeben, statt in ihrer Kraft zu bleiben. Ob finanziell oder emotional. Was rätst du diesen Frauen?
Ich hatte den ganz starken Willen, nicht auf Dauer Opfer zu sein. Als Kind war ich Opfer, dagegen konnte ich nichts tun. Frauen waren über Jahrhunderte hinweg Opfer. In vielen Teilen der Welt sind sie es heute noch. Aber bei uns muss keine Frau mehr Opfer sein.
Frauen könnten einen anderen Stand in ihrem Leben haben, wenn sie sich die Folgen von Abhängigkeit klarmachen. Durch Abhängigkeit begibt man sich in das kindliche Dasein zurück. Ja, als Kind ist man extrem abhängig. Aber als Erwachsene doch nicht.
Ein Beispiel: Aus einer unglücklichen Ehe kann man sich heute befreien. Ich war 30 Jahre lang verheiratet. Zehn Jahre davon waren gut, zehn Jahre waren mittelmäßig. Die letzten zehn hätte ich mir sparen können. Mit 60 Jahren habe ich mich dann noch scheiden lassen. Ich bin regelrecht aufgeblüht. Ich habe viel Kraft dadurch gewonnen, dass ich mich aus einer nicht mehr gut funktionierenden Beziehung befreit habe.
In meinem Dorf in Niederbayern habe ich gesehen, dass viele Frauen unglücklich waren. Beispielsweise eine Tante von mir war mit einem Alkoholiker verheiratet, der sie mindestens einmal pro Woche grün und blau geschlagen hat. Und immer wieder ging sie zu ihm zurück. Ich fragte sie eines Tages, als ich circa 16 Jahre alt war, warum sie das macht. Sie weinte ganz furchtbar und sagte: „Ich habe nichts. Ich habe keinen Beruf, kein Geld. Wo soll ich hingehen?“ Das blieb mir im Kopf. Mir kommen fast die Tränen, wenn ich daran denke, wie sie gelitten hat und keinen Ausweg wusste.
Auch im Frauenhaus habe ich viele, viele Frauen erlebt, die nicht nur misshandelt wurden, sondern auch finanziell abhängig waren. Oft war sogar der Entzug von Geld durch den Mann ein Mittel der Misshandlung. Denn dadurch wird eine Frau in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sie kann nirgendwo hingehen.
Frauen brauchen einen Beruf und sie brauchen eigenes Geld, damit sie bei einem Partner bleiben können, aber nicht müssen. Das ist ein ganz, ganz großer Unterschied. Das hat sich in meinem Kopf festgesetzt, das war mein innerer Antreiber, und hat dann später zur Gründung meiner Finanzberatungsfirma geführt.
Ich sage den Frauen auch immer: Ihr müsst in eurer Kraft bleiben, auch in der Partnerschaft. Das heißt ja nicht, dass man sich nicht liebt, aber eben auf Augenhöhe.
Freu dich über deine Partnerschaft, aber bleibe unabhängig. Es gibt keine Unabhängigkeit, wenn die Finanzen nicht stimmen. Das ist ein so hohes Gut. Frauen hatten das Jahrhunderte lang überhaupt nicht. Es ist heute nicht mehr vorstellbar, dass eine Frau 1962 nicht mal ein Konto haben durfte. Oder dass der Mann noch 1977 ihren Job kündigen konnte, wenn er mit ihrer Haushaltsführung nicht einverstanden war. Das ist unvorstellbar, ja unerhört, wie man die Hälfte der Menschheit behandelt hat. Es ist allerhöchste Zeit, damit aufzuhören.
Heute haben wir auf dem Papier viele Möglichkeiten. Und trotzdem begeben sich Frauen oft selbst in diese Abhängigkeit. Einer der größten Einschnitte im Leben einer Frau ist es, Mutter zu werden. Wie schaffen es Frauen, auch nach der Geburt ihres ersten Kindes nicht abhängig vom Partner zu werden?
Das ist der Knackpunkt im Leben vieler Frauen. Ein Paar fühlt sich vorher gleichberechtigt, möchte eine Beziehung auf Augenhöhe. Aber dann kommt das erste Kind. Viele Frauen sagen mir bei meinen Vorträgen und Diskussionen, sie haben gar nicht darüber geredet, wer zu Hause bleibt. In einer Beziehung auf Augenhöhe müssen Frauen, bevor sie schwanger werden, mit dem Partner darüber reden: Wollen wir ein Kind? Wenn ja, können wir uns die Elternzeit teilen? Dann müsste keiner zu lange aus dem Beruf aussteigen. Dann wäre auch der wirtschaftliche Nachteil nicht allein bei der Frau. Diesen Nachteil muss man sich bewusst machen: Der Mann bleibt im Beruf, verdient eigenes Geld, das er anlegen und vermehren kann. Er hat oft sogar eine Betriebsrente und kann Vermögen bilden. Das alles hat sie nicht, wenn sie für die Familie ihren Job aufgibt.
Mein Idealfall wäre folgender: Beide teilen sich die Elternzeit und dann steigen beide über eine etwas höhere Teilzeit wieder ein, und arbeiten auch bald wieder in Vollzeit. Aber natürlich stimmen die Rahmenbedingungen dafür immer noch nicht. Der Staat muss dafür noch einiges tun, damit die Kinder gut betreut sind.
Häufig sagen die Männer: „Bei mir geht das nicht!“ Weil sie ja soo wichtig in ihrem Job seien. Wenn dem tatsächlich so ist, dann sollte sich die Frau von der Deutschen Rentenversicherung ausrechnen lassen, was die – verlängerte – Elternzeit mit ihrer künftigen Rente macht. Alleine das ist schon sehr heilsam. Die meisten erschrecken, wenn sie sehen, wieviel es ausmacht, wenn man fünf oder zehn Jahre zuhause bleibt. Ich rate dann den Frauen, diese Fakten dem Partner zu zeigen und darauf zu bestehen, dass er das aus seinem Einkommen ausgleicht.
Das ist ein guter Tipp!
Viele Frauen fürchten, dann gierig rüberzukommen. Nein. Es hat überhaupt nichts mit Gier zu tun, wenn man eine berechtigte Forderung stellt. Man muss gerechterweise sagen, Männer kommen ja oft gar nicht auf die Idee, weil es noch nie jemand von ihnen verlangt hat. Frauen müssen das wirklich selbstbewusster fordern. Und dabei nicht auf der Gefühlsebene argumentieren, sondern mit Fakten. Männer reagieren sehr stark auf Zahlen.
Das heißt, du empfiehlst, dass der Mann die entstandene Rentenlücke durch einen Sparplan ausgleicht?
Er könnte beispielsweise in einen Aktienfonds-Sparplan einzahlen. Oder, wenn weniger Risiko gewünscht wird, in eine private Rentenversicherung, die es in vielen Variationen gibt
Apropos Männer: Du hast dich nach 30 Jahren scheiden lassen. Mit Mitte siebzig hast du dich nochmal neu verliebt. Das finde ich genial.
Das endete zwar auch. Aber es war eine neue Erfahrung, dass man sich in jedem Alter verlieben kann.
Wie kam’s?
Mein Sohn hat eine Familie gegründet. Er hat zwei kleine Kinder. Er und die Mutter haben sich übrigens die Elternzeit geteilt, das hat wunderbar funktioniert. Ich habe ihm mein Haus übergeben. Mir war es auch zu viel, zu groß. Ich wollte das alles nicht mehr. Und so habe ich mich entschieden, in eine Seniorenresidenz zu ziehen. Darüber bin ich sehr froh und glücklich. Mein Leben ist so entspannt geworden. Und dort habe ich diesen anderen Mann kennengelernt. Aber wie es halt so ist, bei den Männern meiner Altersgruppe: Aus einem alten Patriarchen macht man keinen emanzipierten Mann mehr.
1987 hast du „Frau und Geld“ gegründet, eine der ersten Frauen-Finanz-Beratungen hierzulande. Du wurdest belächelt von Männern, aber auch kritische Frauen sind dir begegnet. Welche Parallelen siehst du zu der heutigen Female-Finance-Bewegung, die primär über Social Media groß geworden ist?
Das war damals eine völlig andere Situation als heute. Es war für Männer aus der Branche vollkommen unverständlich, dass es eine Finanzberaterin für Frauen gibt. Einmal ist sogar ein ziemlich bekannter Finanzberater aus Frankfurt am Main angereist, um mich zu interviewen. Der hat das überhaupt nicht verstanden. Er sagte, Frauen hätten doch keine Ahnung von Geld. Sie würden es nicht kapieren. Und ich wäre nach einem Jahr pleite. Diesen Finanzberater gibt es schon lange nicht mehr. Uns schon.
Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen sich auch mit Geld befassen. Es gibt viele Frauen, die gut verdienen, und die wissen wollen, was sie mit ihrem Geld machen sollen. Wie sie ihr Geld entsprechend ihren Bedürfnissen anlegen sollen, wie sie eine Altersvorsorge aufbauen.
Was ich allerdings nicht so toll finde, ist, dass sich heute jeder mit einem Finanzcoaching selbstständig machen kann und dabei keinerlei Regularien unterliegt. Wir als Finanzberaterinnen müssen extrem viel nachweisen, um tätig werden zu dürfen und dauerhaft sein können. Wir müssen Fortbildungen besuchen, Buchprüfungen durchlaufen, haben Dokumentationspflichten. „Coach“ hingegen kann sich jeder nennen, jeder kann seine Ratschläge verbreiten. Das sehe ich als Gefahr. Viele lassen sich darauf ein, und haben Vertrauen – vielleicht in die Falschen. Geld ist wichtig und es sollte ordentlich damit umgegangen werten. Mit Verantwortung und von ausgebildeten Menschen und nicht von Leuten, die verstanden haben, dass man mit Frauen auch Geld verdienen kann.
Wir bei herMoney bieten ja auch ein Coaching an.
Euer Coaching ist auf hohem Niveau, das ist etwas ganz anderes.
Abschließend: Was sind deine drei wichtigsten Ratschläge fürs Leben für die Frauen?
1.: Frauen sollten einen Lebensplan machen: Was will ich erreichen? Was brauche ich dafür? Wie ist mein Leben jetzt, wie soll es später sein? Viele Männer machen einen solchen Lebensplan. Die finden heraus, was sie in ihrem Leben wollen, und fixieren sich darauf. Frauen machen das oft nicht. Stattdessen warten sie darauf, was sich ergibt. Wenn sie einen Lebensplan machen würden, dann würde so manche Entscheidung anders ausfallen.
2.: Wenn du einen Fehlschlag erleidest, dann denk als erstes darüber nach, was du selbst dazu beigetragen hast. Du kannst nur dich ändern, nicht die anderen. Wenn du dich änderst, dann ändern sich manchmal auch die anderen. Ich habe nicht immer die anderen verantwortlich gemacht. Sondern mich gefragt: War ich vielleicht zu vertrauensselig? Habe ich etwas falsch gemacht? Was habe ich falsch gemacht?
3.: Bleibe unabhängig! Finanzielle Unabhängigkeit ist ein ganz hohes Gut. Es gehört zur Würde eines Menschen, nicht abhängig von einem Partner oder vom Fortbestand einer Lebensgemeinschaft zu sein. Das klingt simpel, aber das ist wirklich ganz, ganz wichtig.
Liebe Helma ganz lieben Dank für deine Zeit. Wir sehen uns bei dem herMoney Festival. Da wirst du über die Historie der Frauen und das Geld sprechen: Von der „Pharaonin“ bis zum „Heimchen am Herd“.
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