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„Raus aus dem Selbstmitleid!“ Judith Williams im Interview über Erfolg, Männer und Kinder

Titelbild von „Raus aus dem Selbstmitleid!“ Judith Williams im Interview über Erfolg, Männer und Kinder

Profilbild von Anne Connelly

Anne Connelly

20. Juni 2019

Sympathisch und erfolgreich: Unternehmerin Judith Williams plaudert im Interview über ihr Erfolgsrezept, ihren Mann und ihre Kinder.

herMoney: Frau Williams, als ich Ihnen das erste Mal persönlich begegnet bin, fiel mir sofort Ihre wahnsinnig sympathische Art auf, Ihr ansteckendes Lachen und vor allem Ihr aufrichtiges Interesse an anderen Menschen. Ist das Ihr Erfolgsrezept?

Judith Williams: Sicherlich ist das ein Grund für meinen Erfolg. Wissen Sie, ich habe vor langer Zeit ein paar grundlegende Regeln für mich definiert. Wenn man die befolgt, dann hat man schon sehr viel richtig gemacht, wie ich finde. Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass der Erfolg in einem selbst beginnt, mit der eigenen Selbstreflexion. Wo stehe ich, wer bin ich? Wenn ich ein Gefühl von Mangel habe, sollte ich überlegen: Woher kommt das? Wie kann ich das ausgleichen, um mich selbst wertzuschätzen? Damit legt man ein Fundament, um anderen Menschen mit Respekt zu begegnen. Man sät auch einen fruchtbaren Boden, damit etwas Neues entstehen kann.

herMoney: Die richtige Einstellung ist sehr wichtig, das strahlen Sie aus. Sie sind sehr authentisch.

Judith Williams: Unauthentisch zu sein, ist zu anstrengend. Wir haben alle nur eine bestimmte Zeit auf dieser Welt, die kann ich angenehm verbringen oder eben nicht. Auch wenn mal harte Verhandlungen anstehen, so habe ich es mir zur Regel gemacht, mit meiner Haltung, dem Ton und der Art und Weise des Miteinanders das Treffen so angenehm und so wertschätzend wie möglich zu gestalten.

herMoney: Bekommen Sie diese Wertschätzung zurück?

Judith Williams: Nicht immer. Ich lasse mich trotzdem nicht davon abbringen. Es ist für mich keine Bedingung, dass andere so sind. Ich denke mir dann, dass die anderen einfach noch nicht so weit sind (lacht). Das geht mir so, wenn ich auf Geschäftspartner treffe, die sehr altmodisch in ihrem Denken sind. Nicht überraschend haben sie gleichermaßen Probleme, den digitalen Wandel ihrer Firma zu gestalten. Nehmen Sie dagegen ein recht junges Unternehmen wie Amazon. Ich engagiere mich gemeinsam mit Amazon für das Projekt „Unternehmerinnen der Zukunft“ und habe vor kurzem ein tolles Meeting mit allen Angestellten erlebt. CEO Ralf Kleber sagte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: „Ihr seid unsere Innovation, ihr seid unser Think Tank! Eure Ideen sind unser Schatz, teil sie mit uns! Wir möchten einen Platz schaffen, wo ihr etwas bewegen könnt.“ Ich frage Sie, welcher Mitarbeiter hat das von den meisten großen, traditionell geführten Unternehmen jemals gehört?

herMoney: Denken Sie, dass diese Einstellung etwas mit dem Alter zu tun hat oder eher ein männliches beziehungsweise weibliches Attribut ist?

Judith Williams: Ich würde sagen, es ist eine Haltung. Das alte Mindset von Unternehmensführung ist passé. Wie viele Jahre wurde die Emotionalität aus dem Management retuschiert? Alles, was weiblich war, durfte nicht sein. Man durfte keine Gefühle zeigen. Pokerface und Manipulation herrschten vor, Authentizität war zu verstecken. Inzwischen ist das Gegenteil gefragt, man braucht die wahren Emotionen der Mitarbeiter. Man will, dass sie engagiert sind und mit Freude in die Arbeit kommen. Schauen Sie sich Amazon an. Das ganze Unternehmen ist auf den Kunden fokussiert. Das ist das Erfolgsgeheimnis.

herMoney: Beschreibt dsa auch die Managementphilosophie in Ihrem Unternehmen?

Judith Williams: Ja, wir sind sehr flach strukturiert, sehr stark teamorientiert und machen viel für das Miteinander. Wir begrüßen auch die wilden Ideen der Mitarbeiter, denn das Mitgestalten spielt eine große Rolle. Wir sind alle per Du und es ist extrem familiär bei uns.

herMoney: Spielt das „Du“ eine Rolle?
Judith Williams:
Die Firma sitzt in Österreich. Österreicher sind da entspannter, geben auch mal ein Bussi zur Begrüßung. Wir tragen die Herzlichkeit nach außen, aber nicht auf Kosten der Professionalität. Unsere Partner wie dm lieben das. Klar, es gibt harte Verhandlungen, aber danach gehen wir zusammen essen.

herMoney: In Ihrer eigenen Firma sind über 80 Prozent der Angestellten weiblich. Würden Sie sagen, dass Ihnen ein paar mehr Männer gut tun würden?

Judith Williams: Wir haben ja Männer, die sind komplett umzingelt. Die armen Kerle (lacht). Mein Problem ist allerdings, dass es nur Männer in der obersten Führungsriege gibt. Auf Gesellschafterebene bin ich die einzige Frau und Mehrheitsgesellschafterin.

herMoney: Woran liegt das?

Judith Williams: Ich verliere die Frauen leider, sobald die Kinder kommen.

herMoney: Was tun Sie, um dagegen anzugehen? Es gibt ja inzwischen viele Programme dafür …

Judith Williams: Absolut, wir bieten vieles an. Allerdings kommen die Kolleginnen oft zu spät zurück. Ein, zwei Jahre sind in unserer schnelllebigen Kosmetikbranche eine Ewigkeit. In Österreich dürfen die Frauen auch nicht früher zurückkehren, wenn sie es wollen. Für unser neues Gebäude haben wir eine Kinderkrippe durchgesetzt. Das finde ich so wichtig. Aber dann gibt es immer noch den Druck von zu Hause. Ein Wahnsinn: Man verhindert, dass die Frauen selbst entscheiden können. Ich selbst habe zwei Wochen nach der Geburt wieder gearbeitet, weil ich das so wollte.

herMoney: In Deutschland gründen nur 15 Prozent der Frauen eigene Unternehmen. Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass so wenige Frauen Firmen gründen und stattdessen lieber Coach werden wollen?

Judith Williams: Weil sie dann endlich anderen sagen können, wie es geht, auch wenn sie es selbst nicht können (lacht). Ich habe zu dem Coach-Dasein ein sehr gespaltenes Verhältnis. Einerseits bin ich sehr dankbar dafür und nutze ihre Dienstleistung gerne selbst für neue Ansätze und Selbstreflexionen. Aber es ist sehr schwer, Coaches zu finden, die unternehmerisch etwas auf die Beine gestellt haben. Es ist einfacher, einen Rat zu geben, als es selbst zu machen.

herMoney: Sie hingegen haben sich nach Ihren Anfängen im Home Shopping entschlossen, Ihre eigenen Kosmetik-Marken zu entwickeln und ein Unternehmen zu gründen. Was hat Sie veranlasst, dieses unternehmerische Risiko auf sich zu nehmen?

Judith Williams: Ich habe damals zu erfolgreichen Unternehmern aufgeblickt. Das waren nur Männer. Ich wollte nicht bei Partys in der Ecke mit Frauen stehen und mich darüber unterhalten, wie frau am besten den Koffer für die Geschäftsreise des Ehemannes packt. Ich wollte im gleichen Sandkasten wie die Männer spielen und von ihrem Wissen profitieren.

herMoney: Damit macht man sich nicht gerade beliebt, oder?

Judith Williams: Das stimmt, aber das Frauenbild wandelt sich Gott sei Dank langsam. Businessfrauen wie ich wurden damals als „Bitches“ verschrien. Als ich die mutige Entscheidung getroffen hatte, in die Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ zu gehen, musste ich auf Social Media heftige Kritik für harte Verhandlungen einstecken. Nach dem Motto: „Die Männer dürfen das, aber Frauen, die tough verhandeln, bekommen den Hals nicht voll.“ Je mehr Frauen sich trauen, desto mehr wird sich das Bild von Businessfrauen wandeln und desto positiver wird es besetzt sein.

herMoney: Wie haben Sie eigentlich Ihr Unternehmen finanziert?

Judith Williams: Mit einem Kredit. Ich habe natürlich das, was ich besitze, als Sicherheit gegeben. In dieses Risiko bin ich gegangen. Mein Geschäftspartner hat mit mir dieses Risiko geteilt, und ich habe sukzessive Anteile aufgekauft. Jetzt bin ich die Mehrheitsgesellschafterin.

herMoney: Dabei war Ihre Unternehmerinnenkarriere nicht vorgezeichnet. Sie sind eigentlich ausgebildete Sängerin und mussten Ihren geliebten Job aus Krankheitsgründen aufgeben. Wie haben Sie es geschafft, Ihrem Leben eine noch erfolgreichere Wendung zu geben?

Judith Williams: Ich hatte alles verloren und somit hatte ich nichts mehr zu verlieren. Damit lebt es sich wunderbar. Man kann dann nur noch gewinnen.

herMoney: Das ist nicht selbstverständlich, tolle Einstellung!

Judith Williams: Wir Frauen müssen raus aus dem Selbstmitleid. Wir müssen es wandeln in eine Haltung der Stärke. Als ich 16 Jahre alt war, fand ich mich total hässlich, hatte eine feste Zahnspange, keinen Freund, kein Selbstbewusstsein. Dann habe ich in einem Buch gelesen, dass man sich in den Spiegel schauen und sich 100 Mal gut zureden soll, sich selbst zu akzeptieren. Das habe ich gemacht. Das hat mir sehr geholfen, mich selbst so zu nehmen, wie ich bin.

herMoney: Bei Ihnen wirkt alles so mühelos. Als Mutter in einer Patchwork-Familie scheinen Sie das ohne Probleme hinzubekommen. Ist dem so?

Judith Williams: Nein, überhaupt nicht (lacht). Patchwork ist eine der größten, aber auch schönsten Herausforderungen, die es gibt. Der einzige Weg ist Gelassenheit, Geduld und Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten. Es geht auch nicht um Perfektion. Es gibt keinen Zwang und man muss lernen loszulassen. Ich habe mich entschieden, Patchwork-Mama zu sein und die Arme offen zu halten. Ich will insbesondere für Teenager Verständnis haben, für die die Umstellung nicht einfach ist. Das Negative frisst einfach zu viel Energie.

herMoney: Geld spielt eine wichtige Rolle in Partnerschaften und Ehen, birgt auch viel Konfliktpotenzial. Wie halten Sie es persönlich damit?

Judith Williams: Mein Mann und ich definieren uns nicht über Geld. Wir sind ein gutes Team. Das ist es, was zählt.

herMoney: Viele Männer tun sich schwer, an der Seite einer erfolgreichen Frau zu sein.

Judith Williams: Mein Mann hat seine eigene Karriere, unterstützt mich in allen Bereichen und ist mein bester Ratgeber. Entscheidend für eine gute Partnerschaft ist die gegenseitige Wertschätzung.

herMoney: Frauen tun sich auch schwer, Verantwortung an ihre Männer abzugeben.

Judith Williams: Natürlich habe ich mich oft gefragt, ob ich meine Kinder auch mal an meinen Mann abgeben kann oder ob mich das zur Rabenmutter macht. Mein Mann hat mich aufgebaut und bestärkt weiterzumachen. Wir Frauen dürfen nicht immer zur Perfektion neigen. Das schaffe ich gar nicht. Ich selbst habe jedenfalls nicht das Talent zum perfekten Marmorkuchen. Fragen Sie meine Kinder …

herMoney: Was bedeutet Ihnen eigentlich Geld? Ist es Ihnen wichtig?

Judith Williams: „Geld ist ein sichtbarer Erfolg, die Wahrheit liegt auf der Bank“, sagt mein Löwe-Kollege Georg Kofler. Es ist ein Index, ob es gut läuft oder nicht. Andererseits ist Geld ein Mittel, um Ideen zu realisieren, es bietet unternehmerische Agilität und Freiheiten. Geld sagt allerdings nichts aus über den eigenen inneren Wert. Es ist nur ein Maßstab, ob deine unternehmerischen Ideen erfolgreich sind. Sprich: Geld entscheidet nicht darüber, ob wir glücklich oder unglücklich durchs Leben gehen.

herMoney: Frauen hierzulande verdienen im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. Haben Sie selbst Erfahrungen gemacht mit dem Gender Pay Gap? Wo mussten Sie selbst Lehrgeld zahlen beim Geldverdienen?

Judith Williams: Ich habe mich immer unter Wert verkauft – wie viele Frauen. Von Jahr zu Jahr habe ich mir mehr zugetraut, sozusagen meine eigene finanzielle Emanzipation durchlebt. Ich habe gelernt, was meine Talente sind. Die sind kein Manko, sondern ein Plus. Und das Plus hat seinen Wert. Dann brauchte ich den Mut, eine große Zahl aufzurufen, die diesen Wert repräsentiert, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Und dann muss man ins kalte Wasser springen. Das habe ich schon immer gern gemacht (lacht).

herMoney: Waren Verhandlungen mit Frauen einfacher als mit Männern?

Judith Williams: Meiner Erfahrung nach sind Frauen mit anderen Frauen viel strenger. Vielleicht liegt das an den negativen Erfahrungen, die viele Frauen in ihrem Berufsleben gemacht haben. Mit Männern kann ich meistens besser verhandeln.

herMoney: Reden wir nicht nur übers Geldverdienen, sondern über das Geldanlegen. Haben Sie eine Anlagestrategie, die Sie verfolgen?

Judith Williams: Im Prinzip bin ich relativ konservativ in meiner privaten Geldanlage. Ich spare für die Kinder und lege Geld zur Seite. Wenn ich bei „Die Höhle der Löwen“ in ein Start-up investiere, verlasse ich mich meistens auf mein Bauchgefühl.

herMoney: Hierzulande beziehen Frauen im Schnitt 40 Prozent weniger Rente als Männer. Wie planen Sie für Ihre Altersvorsorge?

Judith Williams: Ich investiere in mein eigenes Unternehmen. So bauen wir gerade ein neues Gebäude. Das gibt mir ein großes Glücksgefühl, mehr als jedes Wertpapier. Und ich investiere damit in mich, meine Firma und meine eigenen Fähigkeiten. Das kann ich nur empfehlen.

herMoney: Sie sind ein tolles Vorbild für andere Frauen und vor allem unterstützen Sie andere Frauen aktiv, was leider noch keine Selbstverständlichkeit ist. Wer sind Ihre Vorbilder?

Judith Williams: Ich habe zwei Schwestern, die erheblich jünger sind. Ich musste also schon von Kindesbeinen an Verantwortung übernehmen. Ich liebe diese Schwesternschaft, das ist eine solch tolle Energie, die wir Frauen untereinander versprühen können. Mein Herzensthema sind Frauen, da sie oft in schlechten Beziehungen gefangen sind und sich aufopfern. Dafür möchte ich mich einsetzen.

herMoney: Ihre Töchter sind 10 und 12 Jahre alt. Sind sie Girlie-Typen?

Judith Williams: Das sind sie in der Tat, sie sind Mädels durch und durch. Aber sie haben ein gutes Selbstverständnis. Sie sind beide ein bisschen bossy und das ist okay so. Sie werden es später noch brauchen. Ich musste es mir hart antrainieren.

herMoney: Was ist der wichtigste Ratschlag, den Sie Ihren Töchtern und unseren Leserinnen geben möchten?

Judith Williams: Vertraue Dir selbst, es ist alles in Dir. Gib Dein Bestes. Aber akzeptiere, dass man nicht jeden Tag gewinnen kann. Du musst nicht perfekt sein. Don’t settle for less!

 

Über Judith Williams

Als Unternehmerin ist Judith Williams der Superstar des europäischen Teleshoppings – und ein Vorbild für viele Frauen. Im Jahr 2001 begann sie ihre Arbeit im Homeshopping. Seitdem hat sie unter anderem ihre eigenen Kosmetik-, Mode- und Schmucklinien ins Leben gerufen.

Als Geschäftsführerin der Judith Williams GmbH und Mehrheitseigentümerin der CURA Marketing GmbH in Innsbruck beschäftigt Williams mittlerweile rund 160 Mitarbeiter, davon 80 Prozent Frauen. Judith Williams ist bekannt als Jurorin der preisgekrönten Start-up- Show „Die Höhle der Löwen“ auf VOX.

Seit Kurzem ist sie Schirmherrin für „Unternehmerinnen der Zukunft“. Sie ist verheiratet mit dem Medienmanager und Schauspieler Alexander-Klaus Stecher und Mutter zweier Töchter. Judith Williams ist ausgebildete Sängerin und wuchs bei ihren amerikanischen Eltern in Deutschland auf.

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Anne Connelly

Anne Connelly ist die Gründerin von herMoney und eine Pionierin und Top-Managerin der Investmentfondsbranche. Sie wundert sich bis heute, warum sich so wenige Frauen aktiv um ihre Finanzen kümmern und möchte das mit herMoney ändern.