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Killen Kinder Träume und Karrieren?

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Birgit Wetjen

Autorin

22. Mai 2018

Unsere Kolumne handelt von Geldgeschichten, die wir Frauen erleben. Ein Gespräch über Kinder, Träume und Karrieren.

Ich sitze bestens gelaunt mit meiner Freundin Katti im Auto, auf dem Weg zum traditionellen Ladys-Wochenende in Holland. Einmal im Jahr gönnen wir uns das, mindestens! Quatschen und bummeln – oft kommen wir mit ein paar gefüllten Einkaufstüten zurück. Das Radio läuft, ganz nebenbei. Doch dann horchen wir auf. Ein Typ singt von einer Frau, die gestresst vom Job kommt und sich um die Kinder kümmert – statt barfuss durch New York zu gehen oder durch Alaska zu trampen. „Sie fragt sich, wie’s gelaufen wäre – ohne Kinder“, dröhnt der Refrain aus den Boxen . „Und wenn sie tanzt, ist sie woanders, für den Moment dort wo sie will…..“ Wir gucken uns an und lachen. Ja, Kinder groß zu ziehen ist nichts für Weicheier, da sind wir uns einig. Übermütter waren wir nie – nach langen Skat-Nächten haben wir den Kleinen schon morgens um vier oder fünf Uhr Marmeladen-Brote vor die Tür gestellt, damit sie ja nicht auf die Idee kamen, uns um sechs zum Frühstück zu wecken. Geschadet hat es den beiden nicht. Sie sind jetzt Mitte 20, längst aus dem Haus und können über diese und andere Aktionen herzlich lachen. Und wir? „Weißt Du noch, wie anstrengend das alles war?“, frage ich Katti. Alles für das Kind, daneben Haushalt, Studium und Geld verdienen: „Heute würde ich das gar nicht mehr schaffen.“

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Darf man so was denken?

Gleichzeitig bin ich über das Lied im Radio irritiert. Kinder als Klotz am Bein, der uns daran hindert, Träume zu leben? Darf man so was denken und auch noch sagen? Katti verzieht das Gesicht. Als Jugendliche hatte sie viele Flausen im Kopf. Ich war eher ängstlich, aber sie hat immer das Abenteuer gesucht. Als sie 16 Jahre alt war, ist sie sogar mal von zuhause ausgerissen – da hat sie sich mitten im Schuljahr für ein paar Monate nach Italien abgesetzt. Nicht, weil es zuhause in der Familie Streit gab, sondern einfach so: Sie wollte erleben, wie es sich anfühlt, sich treiben zu lassen. Sich in der Fremde zurechtzufinden, in Parks zu schlafen und auch mal die eigenen Grenzen zu spüren. Klingt nach „Trampen durch Alaska“, fällt mir auf, diese Sehnsucht hatte ich nie, weder ohne noch mit Kind! Mit Kind aber sehr wohl manchmal das Gefühl, vor lauter Pflichten zu kurz zu kommen, keine Zeit mehr für mich zu haben – was auch immer das heißen mag. „Sie fragt sich, wie’s gelaufen wäre – ohne Kinder“: Das hallt nach.

Als unsere Kinder zur Welt kamen, haben Katti und ich noch studiert. Studium abbrechen, zuhause bleiben – das kam für mich nie in Frage, wir hätten es uns auch gar nicht leisten können. Gott sei Dank, denk ich heute, so kam ich gar nicht erst in Versuchung, es mir zuhause „gemütlich“ zu machen. Bei Katti war das anders. Wegen des Jobs ihres Mannes war sie mit ihm aus Bayern nach Köln gezogen. Ihr Mann verdiente gutes Geld und hat recht schnell Karriere gemacht. Ihr Studiengang aber wurde hier gar nicht angeboten, sie hätte nicht nur für die Seminare nach Bonn gemusst, sondern als angehende Geografin auch an zahlreichen Exkursionen teilnehmen müssen. „Peter hat gar nicht verstanden, was ich mit meiner Zeit mache. Er kam abends gut gelaunt nach Hause und sagte immer nur: Mach doch! Mach doch einfach!“ Sie hat es versucht und sich zunehmend unter Druck gefühlt. Schließlich brach sie das Studium ab, jobbte hier und da und als ihr Sohn in der Schule war, hat sie eine Umschulung gemacht. Heute arbeitet sie in verantwortlicher Position in einem Verlag. „Bedauerst Du das eigentlich“, frage ich sie? „Quatsch“, sagt sie und schüttelt den Kopf, sie sei mehr als zufrieden mit ihrem Job. „Wer weiß, ob mir ein anderer Job genauso viel Spaß gemacht hätte.“

Will ich Karriere machen?

Gender-Studies fallen mir ein. Glaubt man den Untersuchungen, ziehen die Herren den Damen erst mit Familiengründung davon – in Sachen Karriere und in Sachen Einkommen. Katti lacht – ihr damaliger Mann, heute ihr Ex, hat sich irgendwann selbständig gemacht und verdient ein Vielfaches ihres Gehalts. Katti stört das nicht. „Ich brauche das nicht und hätte auch ohne Kind keine vergleichbare Laufbahn eingeschlagen“, ist sie überzeugt. Und ich? Hatte einen Platz an der renommierten Pariser Journalistenschule CFG sicher, als ich schwanger wurde – ich habe das abgesagt. Und als die Studienkollegen in Festanstellung gingen, hielt ich am eigenen Schreibtisch die Stellung – weil das freie Arbeiten mit Kind besser zu vereinbaren war. Nachmittags in einer Besprechung sitzen, während mein Sohn in der Kindergruppe, im Kindergarten oder Hort auf mich wartet – nein, das wollte ich nicht. So habe ich alle Jobangebote abgelehnt und nachts als „Freie“ eine zweite Arbeitsschicht eingelegt. Und ohne Kind? Hätte ich die Jobs gewollt und die Arbeit auch geschafft?

Ich weiß es nicht. Bedauert habe ich meine Wahl nie. Was aber, wenn die Umstände andere gewesen wären? Hätte Katti ihr Studium abgeschlossen, wenn ihr damaliger Mann nur 30 Stunden pro Woche hätte arbeiten müssen, ohne seine Karrierechancen zu riskieren? Hätte ich einen festen Job angenommen, wenn klar gewesen wäre: Um 15.00 Uhr bin ich durch die Tür – Konferenz hin oder her? Und wäre es mir dann heute im Job besser gegangen – hätte ich dann vielleicht „Karriere“ gemacht? Ich denke an eine andere Freundin, die erst schwanger wurde, nachdem sie die Karriereleiter aufgestiegen war. Ihr Arbeitgeber wollte sie unbedingt halten und hat kurzerhand einen Betriebskindergarten aufgebaut! Solche Initiativen sind wünschenswert und helfen Frauen wirklich, weder auf Kinder noch auf Karriere zu verzichten.

Schön, wenn es einfacher wäre!

Katti und ich sind uns einig: Hätte, wäre, würde: Das bringt uns nicht weiter. „Sie fragt sich, wie’s gelaufen wäre – ohne Kinder“…wir lachen und singen laut mit. Und ja: Wir sind mächtig stolz auf unsere Jungs. „Das Beste, was mir je passiert ist“, fällt mir ein. „Ich finde, wir haben das super gemacht“, sagt Kati. Ein „wäre“, da sind wir uns einig, wollen wir dann aber doch nicht streichen: Schön, wenn es für uns Mütter etwas einfacher gewesen wäre!

 

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.

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