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Testament: Sie können entscheiden!

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Birgit Wetjen

Autorin

19. Juli 2018

Nach mir die Sintflut? Oder möchten Sie Ihr Hab und Gut gezielt übertragen und Familienzoff vermeiden? Teil 2 der Serie "Nachlass".

Teil 1 finden Sie hier.

Viel Vermögen, viele Frauen, viele Kinder  – und kein Testament: Pablo Picasso hat selbst mit seinem Tod Tragödien inszeniert. Den Rat seines Anwalts, ein Testament zu machen, befolgte er nicht. Der große Maler mit dem Hang zur Inszenierung mag sich vor seinem Tod ausgemalt haben, wie sich seine „Lieben“ zerlegen. „Es wird noch komplizierter, als Du es Dir ausmalen kannst“, soll er seinem Anwalt entgegnet haben. Und er sollte Recht bekommen. Verletzte Gefühle brachen auf, die Erbsache Picasso beschäftigte seine Verflossenen und Kinder und auch französische Gerichte über Jahre. Profitiert haben vor allem die Anwälte, die für die Ansprüche der Hinterbliebenen vor den Kadi zogen. 30 Millionen Euro sollen sie in Rechnung gestellt haben.

Ihre Lebensverhältnisse sind bestimmt weniger kompliziert und wahrscheinlich haben Sie auch kein vergleichbares Vermögen. Betrifft mich nicht – könnten Sie also denken. Sollten Sie aber nicht. Denn wenn Sie sich nicht um Ihren Nachlass kümmern, vergeben sie nicht nur die Chance, selbst zu entscheiden, was mit Ihrem Lebenswerk passiert. Auch bereiten Sie den Boden für Familienstreitigkeiten. Zwar regelt der Gesetzgeber die Erbfolge, wenn Sie kein Testament gemacht haben. Aber die Regelungen sind womöglich nicht in Ihrem Sinn. Deshalb: Machen Sie sich schlau und regeln Sie Ihren Nachlass rechtzeitig. Ruth Bohnenkamp, Fachanwältin für Erb- und Steuerrecht, sagt, worauf Sie achten sollten.

1. Zu jung zum Sterben?

In jungen Jahren an den eigenen Tod denken und das Erbe regeln? Nein Danke! Aber auch mit zunehmendem Alter ändert sich an der Ablehnung bei den meisten nichts.„Das ist ein großer Fehler, denn ohne ein Testament bestimmen Gesetze aus dem Jahre 1900 die Erben“, erklärt Erbrechtsspezialisten Bohnenkamp. „So ist es im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und oft überhaupt nicht im Sinne der künftigen Erblasser.“ Daher ist es in jeder Lebenssituation ratsam, sich Gedanken über seine Nachlassplanung zu machen und entsprechend durch ein Testament vorzusorgen. 

2. Vom Auto bis zum Kredit: Was gehört zum Erbe?

Immobilien, Aktien, Familienschmuck, Kücheneinrichtung oder Firmenanteile:  Grundsätzlich gehört das gesamte Vermögen des Verstorbenen zum Erbe. Aber auch seine Schulden. „Der Nachlass geht immer als Ganzes auf den oder die Erben über“, so Bohnenkamp. Ist der Nachlass unterm Strich überschuldet, haben Sie das Recht, das Erbe auszuschlagen. Allerdings ist dabei eine Sechs-Wochen-Frist zu beachten. Nur wenn der Verstorbene seinen Wohnsitz zuletzt im Ausland hatte oder Sie sich als Erbe dort zu Beginn der Frist aufgehalten haben, verlängert sich die Frist ausnahmsweise auf sechs Monate.

3. Gesetzliche Erbfolge: Wer bekommt was?

Wenn Sie kein Testament gemacht haben, gibt der Gesetzgeber die Erbfolge vor. Danach werden zuerst die nächsten Verwandten – also Kinder und Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner – bedacht. Für eine Familie mit zwei Kindern heißt das: Stirbt ein Ehepartner, erbt der andere die Hälfte des Vermögens, die Kinder jeweils ein Viertel.

Anders sieht es bei unverheirateten Paaren aus, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers als unmoralisch galten. „Ohne Trauschein und Testament geht der Partner komplett leer aus“ warnt Bohnenkamp. Selbst wenn Lebenspartner  50 Jahre lang Stuhl und Bett geteilt haben, hat der Hinterbliebene keinerlei Anspruch auf ein Erbe.

Viele Ehepaare mit Kindern finden es im Prinzip in Ordnung, dass ihr Vermögen nach dem Tod eines Partners nach der gesetzlichen Erbfolge an den Überlebenden und die Kinder geht. „Sie bedenken dabei nicht, dass in diesem Fall eine Erbengemeinschaft entsteht“, erklärt Rechtsanwältin Bohnenkamp. „Alle Miterben können mitbestimmen, was mit dem Erbe passiert, wobei die Größe des Anteils keine Rolle spielt.“ Das ist meist überhaupt nicht im Sinne der Ehepartner. Klassischer Fall: Eine Ehepaar wohnt im eigenen Einfamilienhaus, das beiden zu gleichen Anteilen gehört. Stirbt ein Partner ohne Testament, geht seine Haushälfte automatisch zu gleichen Teilen an seinen Ehepartner und die Kinder. Die Kinder könnten als Mitglieder der Erbengemeinschaft mitbestimmen, was mit dem Haus, in dem Mutter oder Vater nun allein lebt, passiert. Das geht so weit, dass sie sogar den Verkauf gegen den Willen des Elternteils vor Gericht durchboxen könnten. „Das lässt sich verhindern, indem Ehepartner ein Berliner Testament machen und sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen“, erklärt Rechtsanwältin Bohnenkamp. „Die Kinder haben damit erst Anspruch auf das Erbe, nachdem beide Elternteile verstorben sind.“

4. Patchwork-Familie: Nicht ohne Testament

Die gesetzliche Erbfolge orientiert sich am klassischen Familienmodell – an Patchwork-Familien mit oder ohne Trauschein haben die Urväter des BGB nicht gedacht. Wenn Sie ohne Trauschein mit Ihrem Partner zusammen leben (siehe Punkt 3) oder aber in 2. oder 3. Ehe verheiratet sind und beide Ehepartner Kinder aus früheren Beziehungen haben, ist ein Testament ein Muss, um alle Mitglieder der Großfamilie im eigenen Sinne zu bedenken. „Ohne Testament erben nur die eigenen Kinder. Diejenigen des Partners aus früheren Beziehungen bleiben außen vor“, erklärt Anwältin Bohnenkamp.

Vor allem in Zweit- oder Drittehen mit Kindern aus unterschiedlichen Ursprungsfamilien kann das Erbe schnell zum Streitfall werden. Denn ohne Testament werden neben dem Ehepartner nur die leiblichen Kinder des Verstorbenen bedacht. De facto heißt das: Die Reihenfolge des Todes der Ehepartner bestimmt darüber, welche Kinder was erben. Klingt absurd, ist aber Realität. Denn sterben Sie vor Ihrem Ehepartner, erbt der die Hälfte Ihres Vermögens, die andere Hälfte erbt Ihr leibliches Kind. Stirbt dann Ihr Ehepartner, haben nur dessen Kinder Anspruch auf dessen Nachlass, also auch auf die Hälfte Ihres Ursprungsvermögens. „Wenn das Erbe gerecht auf alle Kinder aufgeteilt werden oder der Familienbesitz erhalten bleiben soll, ist ein Testament zwingend erforderlich“, so die Erbrechtsspezialistin Bohnenkamp.

5. Testament: Was kann ich im Testament regeln?

Sie können frei bestimmen, was mit Ihrem Vermögen oder einzelnen Gegenständen passiert. Sie können Ihre Erben selbst bestimmten und damit die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzen. Sie können Ihren goldenen Ring per Vermächtnis an die Tochter Ihrer Freundin übertragen, die Aktien an Ihr Patenkind. Auch können Sie gesetzlich Erbberechtigte wie Ehepartner oder Kinder per Testament „enterben“ – ihnen steht dann nur noch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – der Pflichtteil – zu. „Die Pflichtteil muss geltend gemacht werden“, sagt Fachanwältin Bohnenkamp. „Die im Testament begünstigten Erben sind dann verpflichtet, den Pflichtteil in bar auszuzahlen.“

6. Wer kann erben?

Erben kann jede lebende natürliche Person, aber auch Vereine, Stiftungen, Kirchen etc. Das eigene Pflegeheim oder dort Beschäftigte als Erben einzusetzen, ist hingegen nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Ohne eine solche ist das Testament unwirksam.

7. Wann ist ein Testament gültig?

Sie benötigen keinen Notar, der Ihren letzten Willen bekundet. Allerdings sind einige strenge Vorgaben zu beachten. Ihr Testament muss handschriftlich verfasst und mit Datum und Unterschrift versehen sein, damit es rechtswirksam wird. Und keine Angst: Es ist nicht in Stein gemeißelt, Sie können es jederzeit ändern oder ergänzen. Änderungen müssen jedoch separat datiert und unterschrieben werden.

Sie können Ihr Testament zuhause aufbewahren. Aber Achtung: Dabei besteht das Risiko, dass es verloren geht oder gar vernichtet wird – etwa von Personen, die übergangen wurden. Daher ist es in jedem Fall ratsam, das Testament im Nachlassgericht zu hinterlegen und nur eine Kopie zu Hause oder im Banktresor aufzubewahren. Beurkundet ein Notar den letzten Willen, wird er automatisch registriert.

herMoney Tipp:

Damit aus einem Todesfall kein Streitfall wird: Beschäftigen Sie sich frühzeitig mit Ihrem Nachlass! Wie was am besten zu regeln ist, hängt von Ihrer individuellen Lebenssituation ab. Auch steuerliche Gesichtspunkte können eine Rolle spielen. Vor allem bei komplexen Familien- und Eigentumsverhältnissen lohnt sich eine Beratung!

 

Ruth Bohnenkamp RechtsanwältinRuth Bohnenkamp ist Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht mit eigener Kanzlei in Düren. Als Autorin der Stiftung Warentest hat sie u.a. den Ratgeber „Das Vorsorgeset“ geschrieben, der auch einen Teil „Erben und Vererben“ umfasst.

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.