Entgelttransparenzgesetz: Auskunftsanspruch nutzen & erfahren, wie viel die Kollegen verdienen!
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Der kommt nicht von allein! Die gesetzlichen Vorgaben sind aber dafür gegeben.
Inhaltsverzeichnis
Was leistet das Entgelttransparenzgesetz?
Was ist der Median und wie errechnet er sich?
Warum bestehen Zweifel an der Wirksamkeit?
Entgelttransparenzgesetz: Das Wichtigste in Kürze
Die Säulen des Entgelttransparenzgesetzes sind ein individueller Auskunftsanspruch für Beschäftigte, die Aufforderung von Arbeitgebern zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren und die Berichtspflicht zu Gleichstellung sowie Entgeltgleichheit.
Ziel des Gesetzes ist, die Unterschiede zwischen der Bezahlung gleicher Jobs bei Männern und Frauen zu identifizieren und zu beenden.
Nutze deinen Auskunftsanspruch und wende dich an deine Personalabteilung oder den Betriebsrat. Anfordern kannst du den Gehaltsmedian ausschließlich in Textform – also per E-Mail oder Brief.
Das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen ist zum 6. Juli 2017 in Kraft getreten. Für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) eine notwendige Voraussetzung, um den „gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ für Frauen und Männer in der Praxis durchzusetzen.
Dass das bitter notwendig ist, belegt die Studie „Wer gewinnt? Wer verliert?“ der Bertelsmann Stiftung: Auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet, verdienen Frauen nur etwas mehr als die Hälfte des Erwerbseinkommens der Männer, lautet das Fazit.
Was leistet das Entgelttransparenzgesetz?
Warum das so ist, liegt nach Angaben des Ministeriums an den gering entlohnten „Frauenberufen“ oder am Karriereknick durch Kinder. Darüber hinaus lernen Frauen es traditionell nicht, sich ins rechte Licht zu rücken. Darum ziehen Männer auf der Karriereleiter oft an ihnen vorbei.
Zum Weiterlesen: Tipps für die Gehaltsverhandlung geben wir dir hier. Vier schlagfertige Antworten auf nervige Männer-Kommentare im Job findest du in diesem Artikel.
Das Gesetz betrifft vor allem Führungskräfte, die durch Transparenz nun Farbe bekennen müssen, ob die männliche Belegschaft besser entlohnt wird als ihre Kolleginnen.
Wenn du nun aber glaubst, du findest heraus, was dein Kollege, der dir gegenübersitzt, verdient, liegst du falsch. Der Arbeitgeber muss dir darüber Auskunft erteilen, ob eine vergleichbare Tätigkeit in deinem Unternehmen besser, schlechter oder gleich entlohnt wird.
Was ist der Median und wie errechnet er sich?
Als Angabe muss der Median oder auch Zentralwert errechnet werden. Laut Statistischem Bundesamt ist die eine Hälfte aller Individualdaten immer kleiner, die andere größer als der Median. Bei einer geraden Anzahl von Individualdaten ist der Median die Hälfte der Summe der beiden in der Mitte liegenden Werte.
Das ist bei der Gehaltsfrage der Wert, bei dem die Hälfte der Beschäftigten mehr verdient, die andere Hälfte weniger.
Beispiel für einen Gehaltsmedian:
Name | Müller | Becker | Schmitz | Frank | Bohm | Anders | Meier |
Verdienst in Euro | 3.000 | 5.000 | 6.000 | 6.000 | 7.000 | 7.000 | 8.000 |
Der Median liegt hier bei 6.000 Euro. Den kann ein Unternehmen aber nur dann ermitteln, wenn mindestens sechs KollegInnen eine ähnliche Tätigkeit ausüben.
Es sind nur Unternehmen ab 200 Beschäftigten verpflichtet, die Angaben zu machen. Dazu kommt: Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen ihre Gehaltsstruktur nicht nur regelmäßig auf Einhaltung der Entgeltgleichheit prüfen. Sie sind auch in der Pflicht, über Maßnahmen zur Gleichstellung zu berichten.
Auskunftsanspruch nutzen: Nur so wirkt das Entgelttransparenzgesetz!
Ob das neue Gesetz gegen Ungleichbezahlung der Geschlechter hilft, ist umstritten. Zu viele Ausnahmen, zu schwammige Formulierungen, sagen Kritiker. „Das Entgelttransparenzgesetz zeigt bisher in den Betrieben (mit Betriebsrat) nur wenig Wirkung. Der Gesetzgeber sollte daher in Betracht ziehen, die im Gesetz verankerten Wege zu mehr Transparenz und Entgeltgleichheit verbindlicher auszugestalten“, schreibt die Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie von 2019.
Das Gesetz bewirkt eines in jedem Fall: Das Tabu, über Geld zu sprechen, fällt – es wird über das Thema Lohn- und Einkommensgerechtigkeit diskutiert. In der Folge werden sich auch die Firmen auf andere Zeiten einstellen müssen. Bisher hat gerade einmal jedes dritte Unternehmen interne Untersuchungen zur Lohngleichheit durchgeführt, so eine Studie der Unternehmensberatung EY von 2017. Die Mehrzahl der Firmen habe keinen Überblick über ihre Lohnstruktur. Das dürfte sich sehr schnell ändern, wenn Imageverluste oder gar Auseinandersetzung mit Betriebsräten und Gerichten drohen.
Das auch die MitarbeiterInnen das Gesetz nicht aktiv nutzen, ergab eine Befragung des Ifo-Instituts von 2019: „Eine Wirkung des Entgelttransparenzgesetzes blieb weitestgehend aus. Den Befragungsergebnissen vom November und Dezember 2018 zufolge machten nur in knapp 10% aller Unternehmen Beschäftigte von ihrem Auskunftsanspruch Gebrauch und dort zum überwiegenden Teil auch nur vereinzelt.“
Wer jetzt also schon aufgeben möchte, sollte eines wissen: Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil von 2021 (Az. 8 AZR 488/19) das Recht auf Gleichbezahlung von Frauen verbessert. In der Zusammenfassung formuliert das Gericht das so: Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson(en), regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist. Das bedeutet, wenn die Gehälter von Männern für den selben Job regelmäßig höher liegen, liegt der Verdacht nahe, dass Frauen schlechter bezahlt werden. Das Unternehmen ist in der Beweispflicht, den Verdacht zu entkräften.
Das sollte anspornen, eine Anfrage an den Arbeitgeber zu stellen.
Denn ungerechte Bezahlung lässt nicht nur Motivation und Leistungsfähigkeit schwinden, auch die Gesundheit steht auf dem Spiel. Denn dauerhafter Lohnfrust belastete das Herz und mache auf Dauer krank, wie die Bonner Ökonomen Armin Falk und Fabian Kosse vom Institute on Behavior & Inequality (briq) gemeinsam mit einem Team von Medizinsoziologen in einem Verhaltensexperiment nachgewiesen haben. Je weiter die Entlohnung der Probanden von dem abwich, was sie als fair empfunden hätten, desto stärker reagierte ihr Herz mit typischen Stresssymptomen. Eine als unfair empfundene Bezahlung sei deshalb nicht nur ein Problem für die Arbeitnehmer, sondern habe auch immense gesamtwirtschaftlichen Folgen.
Entgelttransparenzgesetz: Dieses Muster hilft dir, deinen Auskunftsanspruch durchzusetzen
Es erfreut deinen Arbeitgeber sicher nicht, wenn du deinen Auskunftsanspruch nutzt und den Gehaltsmedian erfragst. Doch nach dem Motto „gemeinsam ist man stark“ sucht man am besten im Unternehmen weibliche Verbündete oder Rat bei der Arbeitnehmervertretung. Damit man es von Anfang richtig macht, gibt es vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Formular.
herMoney Tipp
Fragen kostet nichts und bringt dir vielleicht mehr, als du denkst. Trau dich einfach und geh auf deinen Arbeitgeber zu!
Artikel von Birgit Wetjen, Aktualisierung von Christiane Habrich-Boecker