Was Frauen gegen den Gender Pay Gap tun können
17. März 2020
Frauen werden noch immer schlechter bezahlt als Männer. Verhandlungsexpertin Claudia Irsfeld erklärt, wie Sie das ändern können.
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Weniger Geld für die gleiche Arbeit? Der Equal Pay Day zeigt: Jeden Tag ist Engagement gefragt!
Inhalt:
Das Wichtigste auf einen Blick:
Definition: Der Equal Pay Day 2024 findet in Deutschland am 06. März statt. Frauen arbeiten bis zu diesem Tag im Vergleich zu Männern quasi ohne Bezahlung. Geht man vom gleichen Stundenlohn aus, erhalten Männer ab dem 1. Januar Geld, die Arbeit von Frauen wird dagegen im Schnitt erst ab dem 06. März bezahlt.
Aktionen: Rathäuser hissen rote Fahnen und im ganzen Land finden Diskussionsrunden statt. Mit einer roten Tasche kannst du ebenfalls ein Zeichen setzen. Rote Taschen stehen sinnbildlich für die „roten Zahlen“ in den Taschen von Frauen.
Kritik: Die 18 Prozent weniger Gehalt beziehen sich auf alle Berufe. Hier wird also auch das Einkommen einer Krankenschwester mit dem eines Top-Managers verglichen. Aber: Innerhalb desselben Berufes und bei gleicher Qualifikation liegt der Gender Pay Gap immer noch bei 6 Prozent!
Ländervergleich: Deutschland liegt im europäischen Vergleich auf einem der letzten Plätze – der europäische Gender Pay Gap beträgt rund 13 Prozent.
Forderungen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Für dich bedeutet das: Finde bei der Jobsuche das Durchschnittsgehalt deiner Branche heraus und gehe mutig in die Gehaltsverhandlung.
Steht deine rote Tasche fürs Ausgehen parat? Am 06. März 2024 könnte aus deinem modischen Accessoire ein politisches Statement werdenwerden – denn es ist Equal Pay Day. Bereits in den 1960er Jahren führte das amerikanische National Committee on Pay Equity den „Equal Pay Day“ ein, um auf die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen aufmerksam zu machen. 1988 kam mit der „Red Purse Campaign“ (Initiative Rote Taschen) eine symbolstarke Kampagne dazu: Die roten Taschen der Frauen stehen für die roten Zahlen in ihren Portemonnaies.
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Dass gleiche Arbeit gleich entlohnt werden soll, ist seit mehr als 40 Jahren (seit 1980) im Gesetz festgeschrieben. Doch faktisch sind wir davon noch weit entfernt. Der Gender Pay Gap – auf Deutsch übersetzt „Geschlechter-Einkommenslücke“ – ist trotz guter Ausbildung der Frauen in den vergangenen Jahren kaum zurückgegangen.
Die vom Statistischen Bundesamt errechneten Bruttostundenlöhne der Frauen betrugen im Jahr 2022 20,05 Euro, während Männer auf 24,36 Euro kamen. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen war demnach um 21 Prozent niedriger als der der Männer. Dabei fielen die Unterschiede in den alten Bundesländern mit 19 Prozent deutlich höher aus als in den neuen Bundesländern (7 Prozent).
Ungleiche Entlohnung hat Tradition, den Equal Pay Day dagegen gibt es in Deutschland erst seit 2008. Das Berufsnetzwerk Business and Professional Women (BPW) Germany e.V. initiierte ihn. Damals war „equal pay“ erst am 15. April. Frauen haben seitdem rund einen ganzen Monat reingeholt.
Auch in anderen Ländern haben Frauen ein geringeres Einkommen als Männer. In den USA findet der Tag erst am 14. März statt – dort ist die Schere zwischen dem Einkommen von Männern und Frauen also noch größer. In Gesamteuropa ist die Geschlechterlohnlücke geringer – nach aktuellen Zahlen liegt der Europäische Gender Pay Gap bei rund 13 Prozent.
Der europäische Equal Pay Day wird seit 2011 ermittelt. Allerdings in umgekehrter Systematik, weshalb er im Herbst stattfindet: Hier beschreibt das Datum den Zeitpunkt, an dem Frauen bei gleicher Bezahlung keinen Lohn mehr bekämen. 2023 fand der europäische Equal Pay Day am 15. November statt. Bis zum Jahresende arbeiteten Frauen in der EU also im Schnitt rund 50 Tage ohne Bezahlung.
Vorbild in Europa ist Island. Seit Anfang 2018 sind Unternehmen per Gesetz verpflichtet, Frauen und Männer für die gleiche Arbeit gleich zu bezahlen. Die Vorgabe gab es schon sehr viel länger, aber mit dem 2018 verabschiedeten „Equal Pay Act“ wurden es deutlich erschwert, das Gesetz zu umgehen.
Schon gewusst? Es gibt auch einen Gender Pension Gap! Frauen bekommen fast 30 Prozent weniger Rente als Männer:
Warum Frauen weniger Rente als Männer bekommen
In Deutschland wird der Equal Pay Day seit 2008 vom Frauen-Netzwerk Business and Professional Women (BPW) organisiert, um für mehr Geschlechtergerechtigkeit beim Entgelt einzutreten. 2009 erhielt das Netzwerk die Auszeichnung „Ort im Land der Ideen“ und wird seitdem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unterstützt. Aus der kleinen Initiative ist ein nationales Aktionsbündnis geworden.
Neben den symbolischen roten Taschen und zahlreichen Aktionen, Reden und Diskussionen zeigen auch viele Rathäuser Flagge und hissen rote Fahnen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Umfassende Informationen zum Thema sowie einen Überblick über alle Aktionen gibt es unter equalpayday.de.
Unter dem Titel „Höchste Zeit für equal pay!“ sind in diesem Jahr eine ganze Menge Veranstaltungen geplant. Mach mit! Mit Hilfe einer Aktionslandkarte findest du Veranstaltungen in deiner Nähe.
Frauen fordern schlicht gleiche Rechte wie Männer. Ein wesentlicher Aspekt: Gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Aber das alleine reicht nicht, um das Problem der ungleichen Entlohnung zu lösen (siehe unten).
In der Regel wird die Arbeit in typischen Frauenberufen schlechter bezahlt als in typischen Männerberufen. Es geht also auch immer um die Bestimmung des Wertes der Arbeit. Auch wird über den Vergleich der Männer- und Fraueneinkommen die stärkere Berücksichtigung von unbezahlter Arbeit gefordert.
Frauen verbringen im Schnitt zweieinhalb Stunden mehr pro Tag mit Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Vereins- oder Wohltätigkeitsarbeit – so das Ergebnis einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Mit Fulltimejob und Überstunden, die in Führungspositionen erwartet werden, lässt sich das kaum verbinden. Die unbezahlten „Versorger-Tätigkeiten“ verringern deshalb häufig die Lohnarbeit bei Frauen.
Der Gender Pay Gap polarisiert, weil der meist herangeführte Gap von 18 Prozent „unbereinigt“ ist, wie Fachleute sagen. Unbereinigt meint, dass der Stundenlohn unabhängig von Jobs, Branchen und Karrieren betrachtet wird. Statistiker treibt diese Betrachtung auf die Palme, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Altenpflegerin verdient einfach weniger als der Unternehmensberater oder Informatiker, eine Sekretärin weniger als ein Manager. Also kein Angriff auf „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“?
Bereinigt – also bei der Bezahlung für gleiche Arbeit – fällt der Unterschied mit rund sechs Prozent geringer aus. Aber eben noch immer viel zu hoch.
Ob Kinderbetreuung oder Altenpflege: Frauen arbeiten vielfach in schlecht bezahlten Jobs. Zudem unterbrechen sie häufig die Erwerbsarbeit, um für die Familie zu sorgen. Das reduziert Einkommen, Karrierechancen und Rente. Und zu guter Letzt verhandeln Frauen leider oft schlechter als Männer. Untersuchungen belegen, dass Studienabsolventinnen vom ersten Arbeitgeber im Schnitt 10.000 Euro weniger im Jahr erwarten als Studienabsolventen. Was hilft gegen den Gender Pay Gap?
„Meiner Erfahrung nach liegt das häufig daran, dass Frauen den monetären Wert ihrer Arbeit stark unterschätzen und ihnen oft das notwendige Know-how zum Verhandeln fehlt“, meint Ljubow Chaikevitch, Verhandlungsexpertin und Gründerin von frauverhandelt.de.
Henrike von Platen, Gründerin des FPI Fair Pay Innovation Lab, sieht das Problem auch als gesellschaftliche Herausforderung: „Von allein passiert nichts. Ungleiche Bezahlung ist keine Privatsache, sondern eine strukturelle Ungerechtigkeit“, so die Fachfrau, die Unternehmen bei der praktischen Umsetzung nachhaltiger Entgeltstrategien unterstützt. „Dieser Fehler im System gehört endlich abgeschafft.“
Auch der Gesetzgeber ist gefordert. Mit dem Entgelttransparenzgesetz haben Frauen in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten erstmals ein Anrecht darauf zu erfahren, was Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen. Transparenz ist ein erster Schritt. Damit das Gesetz nicht zum zahnlosen Tiger verkommt, müssen Frauen allerdings aktiv werden und nachfragen.
Ein zweiter Pfeiler zur Förderung von Frauen ist eine Quote in den Aufsichtsräten der 100 größten deutschen Unternehmen, die 2016 eingeführt wurde. „Die Quote greift“, weiß Dr. Elke Holst, die Pionierin im Bereich Genderforschung beim DIW. Ohne verbindliche Quote liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich niedriger.
Frauen wüssten oft nicht, was ihre Arbeit wert sei, weiß Gehalts- und Verhandlungscoach Claudia Kimich. „Fast jede Frau fragt mich im Coaching, wie viel Geld sie denn verlangen dürfe“, sagt die Autorin des Ratgebers „Verhandlungstango“. Von den männlichen Klienten frage das keiner. Kimich rät Frauen, systematisch an ihrem Selbstwert zu arbeiten.
So erfährst du, was deine Arbeit wert ist
Gehaltsrechner bieten Orientierung. Auf Gehaltsportalen kannst du dich quasi inkognito diskret darüber informieren, was in deiner Branche oder in deinem Unternehmen üblicherweise für welchen Job bezahlt wird:
Geld verdienen ist das eine. Das andere: sich um die eigenen Finanzen kümmern. Das sollte im 21. Jahrhundert in Deutschland selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Frauen weltweit sind in Bezug auf Finanzen in alten Rollenbildern verhaftet, wie eine Studie der UBS aus dem Jahr 2020 belegt: Langfristige Finanz- und Anlageplanung bleibt Männersache, während Frauen alltägliche Ausgaben verwalten.
In Deutschland sind die tradierten Rollenbilder sogar ganz besonders stark ausgeprägt. 60 Prozent der Frauen überlassen Finanzentscheidungen ihren Partnern, in Mexiko oder Brasilien sind es nur 39 beziehungsweise 45 Prozent. Und Hoffnungen darauf, dass sich die Rollenbilder auflösen, weil junge Frauen modern, aufgeklärt und oft auch gut ausgebildet sind, hat die Studie zerschlagen.
Im Gegenteil: Unter den Millennials in Deutschland, also den 20- bis 34-Jährigen, liegt der Anteil der Frauen, die sich bei ihren finanziellen Entscheidungen ganz auf ihre Ehemänner verlassen, bei satten 63 Prozent! „Wir müssen die traditionelle Rollenverteilung hinter uns lassen und Frauen zu mehr finanziellem Selbstbewusstsein ermutigen“, sagt Barbara Rupf Bee, die das Global Wealth Management der UBS in Deutschland verantwortet. Angesichts des Risikos einer Scheidung sowie der höheren Lebenserwartung von Frauen sei es „für Frauen essenziell, in allen Lebensphasen eine aktive Rolle bei der Finanzplanung zu spielen.“
Jammern bringt nichts. Sinnvoller ist es, sich für (Lohn-)Gerechtigkeit stark zu machen. Geh vor die Tür und trau dich, das zu fordern, was deine Arbeit wert ist. Wie bei allen Dingen im Leben gilt: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Fällt dir verhandeln schwer, hilft nur üben, üben, üben. Wie das geht, erfährst du hier.
Disclaimer: Alle Angaben sind ohne Gewähr. Trotz sorgfältiger Recherche kann herMoney keine Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit übernehmen. Der Artikel dient lediglich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar.
Dieser Artikel wurde ursprünglich von Birgit Wetjen im März 2020 verfasst und zuletzt am 05.03.2024 von Katrin Gröh aktualisiert.