Haus verkaufen, aber weiterhin darin wohnen: Was ist Nießbrauch und wie stockt er Ihre Rente auf?

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Anke Dembowski

Autorin

6. Juni 2019

Wohlhabend, aber trotzdem zu wenig Geld zum Leben? Sie können Ihr Haus verkaufen, aber dank Nießbrauchrecht ein Leben lang darin wohnen.

Frauen haben im Alter einen höheren Geld-Bedarf als Männer. Das liegt dran, dass unsere Rente im Schnitt um 53 % niedriger ist als die der Männer. Obendrein leben wir länger, was ja andererseits auch ganz schön ist. Bei Frauen, die etwas wohlhabender sind und im Eigentum wohnen, kommt noch eine Schwierigkeit hinzu: Durch die enorm gestiegenen Immobilienpreise macht die selbst genutzte Immobilie oft einen beträchtlichen Anteil des Gesamtvermögens aus. Damit steckt das Geld im Eigenheim, und die liquiden Mittel sind oft knapp. Aber viele möchten in der eigenen Immobilie auch im Alter wohnen bleiben – solange es eben geht.

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Wohlhabend und trotzdem kein Cash

Wenn dann vielleicht noch eine Scheidung hinzukommt oder der Ehemann verstirbt, spürt man schnell im Portemonnaie, dass die laufenden Kosten höher sind als die Rente oder die Witwenrente. Die eigene Rente vieler Frauen ist ohnehin nur mini. „Ich wohne zwar in einer Immobilie, die prächtig im Wert gestiegenen ist, aber leider kann ich davon nicht abbeißen“, hört man hier und dort.

Aber für diese Situation gibt es Lösungen. Genauer gesagt sind vier Lösungen üblich:

  • Was ist Nießbrauchrecht?
    Sie verkaufen Ihre selbstgenutzte Immobilie unter dem Vorbehalt, dass Sie bis an Ihr Lebensende der wirtschaftliche Eigentümer bleiben. Bei einem Auszug haben Sie Anspruch auf die Mieteinnahmen. Sie erhalten bei dieser Variante eine sofortige Einmalzahlung. Beispiele für Anbieter: HausplusRente, Sachwertpark
  • Lebenslanges Wohnrecht dank Leibrente
    Sie verkaufen Ihre selbstgenutzte Immobilie auf Leibrenten-Basis und lassen sich im Grundbuch ein lebenslanges Wohnrecht eintragen. Die Leibrente wird vom Käufer der Immobilie gezahlt, solange Sie leben.
    Beispiele für Anbieter: Deutsche Leibrenten, VMT Immofinanz
  • Verkauf + Rückmietung
    Sie verkaufen die Immobilie an einen Kapitalanleger und schließen mit dem Käufer anschließend einen Mietvertrag ab. Dann sind Sie im Alter zwar nur noch Mieter in Ihrer Immobilie, haben aber den Verkaufserlös erhalten und können das Geld ausgeben.
    Beispiele für Anbieter: viele Makler und die Immobilien-Abteilungen der Banken
  • Umkehr-Hypothek oder Immobilienrente
    Sie bleiben Eigentümerin der Immobilie und schließen einen Kreditvertrag ab, bei dem die Immobilie als Sicherheit dient. Dabei kann der Kredit als Einmalbetrag oder in monatlichen Raten ausgezahlt werden und so ihre Rente aufstocken. In den USA wird diese Darlehens-Art „Reverse Mortgage“ genannt. Nach dem Tod können die Erben das Darlehen aus eigenem Vermögen oder durch den Verkauf der Immobilie ablösen.
    Beispiel für Anbieter: VMT

Zu den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Lösungen sollten Sie sich unbedingt im Vorfeld unabhängig beraten lassen. Denn es handelt es sich um eine Entscheidung, die Sie womöglich nur einmal im Leben treffen. Neutral informieren hier zum Beispiel die Verbraucherzentralen und die Stiftung Immobilienrente. Sie erklären gut verständlich die jeweiligen Vor- und Nachteile.

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Was ist Nießbrauch und warum ist sie sicherer als die Leibrente?

Eine Möglichkeit ist, wie oben beschrieben, die Immobilie gegen eine Einmal-Zahlung zu verkaufen und sich ein lebenslanges Nießbrauchrecht einräumen zu lassen. „Das deutsche Nießbrauchrecht ist deutlich stärker als ein Wohnrecht, das ja nur ein Nutzungsrecht ist. Beim Nießbrauch bleiben Sie wirtschaftlicher Eigentümer der Immobilie“, erklärt Otto Kiebler, der unter der Marke HausplusRente seit 2009 solche Immobilienverrentungen anbietet.

Ein weiterer Vorteil gegenüber der Leibrenten-Lösung ist, dass man den Betrag sofort beim Verkauf erhält und nicht darauf angewiesen ist, dass der Käufer so lange zahlungsfähig bleibt, wie er die Leibrente bezahlen muss. Schließlich weiß auch der Volksmund: „Was man hat, das hat man“. Kiebler kann das nur bestätigen: „Die Nießbrauchsvereinbarung ist bombenfest, und das ist wichtig, denn im Alter will ja niemand Geld hinterherrennen, auf das er Anspruch hat. Das Nießbrauchrecht bleibt selbst dann bestehen, wenn der Erwerber insolvent wird oder das Objekt versteigert werden muss. Es ist insolvenzfest!“

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Haus verkaufen für mehr Rente: Sinnvoll ab 65 oder 70 Jahren

Sie können sich zwar schon in jungen Jahren einen Plan machen, aber um ihn in die Tat umzusetzen, sollten Sie beim Nießbrauchsmodell nicht mehr allzu jung sein. „Sinnvoll ist der Immobilienverkauf mit Nießbrauchrecht ab einem Alter von 65 Jahren, besser wäre ab 70, denn sonst ist der berechnete Nießbrauchwert zu hoch“, erklärt Kiebler.

Die Verkäuferin der Immobilie erhält nämlich den aktuellen Verkaufswert der Immobilie abzüglich dem Nießbrauchwert. Der berechnet sich aus dem derzeitigen Mietwert mal der restlichen Lebenserwartung in Monaten. Um die restliche Lebenserwartung zu schätzen, verwendet man die sogenannten „Sterbetafeln“ der Versicherungsgesellschaften. Darin wird für jedes Alter eine statistisch erwartete Restlebensdauer angegeben. Im Einzelfall können Sie natürlich älter werden oder jünger versterben. Es handelt sich also lediglich um statistische Erwartungswerte, die als Rechengröße herangezogen werden.

Je älter Sie also sind, wenn Sie Ihre Immobilie verkaufen, desto geringer ist Ihre statistische Restlebensdauer und desto niedriger ist der Wert des Nießbrauchs. Und je niedriger der Nießbrauchwert, desto höher ist der sofortige Einmalauszahlungsbetrag.

Keine Berücksichtigung bei der Berechnung der Witwenrente

„Eine 75-jährige Frau, die eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro verkauft, kann mit einer Einmalzahlung von rund 300.000 Euro rechnen, wenn sie sich ein lebenslanges Nießbrauchrecht eintragen lässt“, weiß Kiebler und fährt fort: „Diese 300.000 Euro sind komplett steuerfrei, wenn es sich um eine selbst genutzte Immobilie handelt“, und gibt zu bedenken: „Eine Leibrente hingegen ist mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig.“

Er nennt einen weiteren wichtigen Vorteil: „Die Einmalzahlung, die Sie beim Verkauf der Immobilie auf Nießbrauchbasis erhalten, wird bei der Berechnung der Witwenrente nicht berücksichtigt.“ Eine Leibrente wird hingegen in voller Höhe angerechnet.

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Haus verkaufen und mehr finanzielle Freiheit genießen

Mit einem Teil dieses Geldes ließe sich beispielsweise ein barrierefreier Umbau der Immobilie bezahlen, und den Rest könnten Sie zum Beispiel in einen Fonds investieren, um einen Auszahlplan abzuschließen. Oder Sie kaufen mit einem Teilbetrag eine sofort beginnende Rente, um den monatlich zur Verfügung stehenden Betrag aufzustocken, und behalten den anderen Teil liquide für die ein oder andere größere Ausgabe. Lassen Sie sich fachkundig beraten, was für Sie der richtige Weg ist.

Kostenseitig läuft mit der Immobilie beim Nießbrauch im Prinzip alles so weiter wie bisher. Das heißt, Sie müssen weiterhin das Hausgeld zahlen. „Darüber hinaus sind Sie lediglich verpflichtet, notwendige Reparaturen ausführen zu lassen. Und zwar bei Schäden, die sonst einen Folgeschaden verursachen könnten“, erklärt Kiebler, „ansonsten sind Sie absolut frei und müssen keinerlei Bevormundung durch den Käufer dulden.“

Der Käufer der Immobilie ist Kapitalanleger

Bei Geschäften sollte man immer fragen, welche Motivation die andere Seite hat. Der Käufer der Immobilie, der Ihnen ein lebenslanges Nießbrauchrecht einräumt, ist ein Kapitalanleger, der auf eine solide Rendite hofft. Kiebler erklärt, dass mit einer rund 3-prozentigen Mietrendite kalkuliert wird, auch wenn hier real gar nichts vermietet wird. Der Käufer hat den Vorteil, dass er Ihre Immobilie jetzt zu einem relativ niedrigen Preis erwirbt, denn er muss lediglich den aktuellen Marktwert abzüglich Nießbrauchrecht zahlen – im obigen Beispiel also statt 500.000 Euro nur 300.000 Euro.

Auf der anderen Seite muss er auf Mieteinnahmen verzichten, denn im Haus leben ja weiterhin Sie, und zwar mietfrei. „Der Erwerber muss die Immobilie dabei aus der eigenen Tasche finanzieren, denn wegen des Nießbrauchrechts ist es kaum möglich, von der Bank dafür ein Immobilen-Darlehen zu erhalten“, so Kiebler.

Es gilt viele Aspekte zu beachten, auch die Kosten

Sie sehen, es handelt sich um Verträge, die relativ vielschichtige Aspekte haben – Steuern, Erbschaftsrecht, Anrechnung auf die Rente und vieles mehr sind zu beachten. Natürlich kümmert sich keiner um Ihre Belange, ohne damit etwas verdienen zu wollen, daher sind auch die Kosten zu beleuchten.

Die Dienstleistung von HausplusRente besteht zum Beispiel darin, dass sie bundesweit Informationsveranstaltungen über alle Verrentungsmodelle anbietet. Im Anschluss können sich Interessenten auch individuell beraten lassen.

Wenn die Käuferin das Konzept anwenden möchte, wird ein neutraler Gutachter hinzugezogen, der die Immobilie bewertet. Diese Bewertung stellt die Basis für die Berechnung dar. Anschließend erstellt HausplusRente ein Exposé und bietet das Objekt ihren vorgemerkten Käufern an. Im Erfolgsfall zahlen sowohl der Käufer als auch der Verkäufer eine Courtage von jeweils 2,5 % plus Mehrwertsteuer, also 2,98 % insgesamt.

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herMoney-Tipp zum Nießbrauch

Die selbst genutzte Immobilie stellt nicht selten die finanzielle Lebensleistung dar. Daher sind auch Entscheidungen, was Sie im Alter mit Ihrer Immobilie machen, von großer Tragweite. Jede Lösung hat Vor- und Nachteile, über die Sie aber oft nur Experten wie Steuerberater, Rechtsanwälte oder Nachlassplaner aufklären können, denn hier steckt oft der Teufel im Detail.

Mit Ihren Kindern oder anderen Erben sollten Sie – wenn das Verhältnis gut ist – auch über die unterschiedlichen Möglichkeiten sprechen, denn die Modelle wirken sich auch auf die anfallende Erbschaftsteuer sehr unterschiedlich aus. Eventuell kann auch jemand aus Ihrem Erben-Kreis die Immobilie kaufen und Ihnen ein Wohnrecht oder Nießbrauch einräumen.

Lassen Sie sich fachkundig und vor allen Dingen unabhängig beraten. Hier an Beratungskosten zu sparen, kann am Ende sehr teuer oder unangenehm werden. Denn manche Konsequenzen können Laien nicht voraussehen. Sie stellen sich womöglich erst nach dem Vertragsabschluss heraus – zum Beispiel dass eine Leibrente auf die Witwenrente angerechnet wird. Dann können Sie die Sache aber nicht mehr rückgängig machen. Hier ist es also extrem wichtig, auf das Fachwissen und die Praxis-Erfahrung von (neutralen) Experten zu setzen.

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Anke Dembowski

Autorin

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Geschäftsführerin des Netzwerks „Fondsfrauen".