🚀 Jetzt neu: Der herMoneyCLUB ➔ Mehr Infos

Private Pflegezusatzversicherung: Sinnvoll oder nicht?

Titelbild von Private Pflegezusatzversicherung: Sinnvoll oder nicht?

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Autorin

30. April 2019

Pflege im Alter ist teuer. Im Zweifel müssen Ihre Kinder Kostenanteile tragen. Ist eine private Pflegezusatzversicherung also sinnvoll?

Inhalt

 

Kinder haften für ihre Eltern. Unter Umständen wird der Nachwuchs für die Pflegekosten der Eltern zur Kasse gebeten. Dabei geht es um den sogenannten „Elternunterhalt“. Der kommt zwar nicht allzu oft zum Tragen, ist im Falle des Falles aber ein Ärgernis. In Zukunft könnte er sogar noch an Bedeutung gewinnen. Denn die Anzahl pflegebedürftiger Bürger wird nach Prognosen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Jahr 2035 auf 4 Millionen ansteigen – gegenüber 2015 ein Plus von mehr als 30 Prozent.

Die Ursachen liegen auf der Hand. Zum einen gehen ab Ende der 2020er-Jahre die geburtenstarken Jahrgänge – die sogenannten Babyboomer – in Rente. Zum anderen ist die Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Gegenüber den 1870er Jahren hat sie sich mehr als verdoppelt.

Gesetzliche Pflegeversicherung reicht nicht aus!

Um die Pflege zu finanzieren, hat die Bundesregierung 1995 die Pflegepflichtversicherung eingeführt. Auf der sicheren Seite fühlen solltest du dich trotzdem nicht. „Die Pflegepflichtversicherung stellt nur eine Teilabsicherung dar“, erklärt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW. Laut jüngster Erhebung des Verbandes Privater Krankenversicherungen klafft eine riesige Lücke zwischen der gesetzlichen Pflegeleistung und den tatsächlichen Kosten. „Pflegeheim dreimal so teuer wie die Rente!“ titelt beispielsweise die Bild-Zeitung am 11. Juli 2024. Immerhin gibt es seit 1. Januar 2022 einen Zuschlag, mit denen sich die Pflegekassen über die monatlichen Leistungen hinaus an den Kosten einer vollstationären Pflege beteiligt, und die prozentualen Leistungszuschläge wurden zum 01.01.2024 noch einmal erhöht, aber ein erheblicher Eigenanteil bleibt, weil die Pflegekosten zuletzt stark angestiegen sind.

„Grund für die starke Erhöhung der Eigenanteile seit 2022 ist vor allem die seit September 2022 geltende Tariftreue-Regelung, wonach das Pflege- und Betreuungspersonal mindestens nach Tarif zu vergüten ist. Diese Kosten müssen eins zu eins in den Pflegesatz eingepreist werden. Hinzu kamen ungünstige Preisentwicklungen, insbesondere bei Energie- und Lebensmitteln (Inflation)“, erklärt der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) in einer Broschüre vom Januar 2024.

So mussten Pflegebedürftige im vergangenen Jahr für einen Heimplatz (bei einer Aufenthaltsdauer von bis zu 12 Monaten) im Bundesdurchschnitt 2.871 Euro aus eigener Tasche bezahlen, in einigen Bundesländern sind es sogar mehr. Dieser Eigenanteil errechnet sich aus den Kosten der Pflege, der Unterkunft und der Verpflegung – abzüglich der Summe, die du entsprechend deines Pflegegrades aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhältst und dem Zuschuss, der 2022 eingeführt wurde. Dieser erhöht sich, je länger der Heimaufenthalt dauert.

(Quelle: vdek)

Laut Stiftung Warentest müssen Pflegebedürftige auch dann einen Großteil der Kosten selbst tragen, wenn sie zu Hause professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Reichen deine Rente und Ersparnisse aus, um die Kosten zu decken? Falls nicht, schließt zunächst das Sozialamt die Lücke, holt sich allerdings unter Umständen das Geld – oder einen Teil davon – von den Kindern der pflegebedürftigen Person zurück.

Wie groß wird die Versorgungslücke sein?

„Verschaffen Sie sich zunächst einmal einen Überblick über Ihre Einnahmen im Alter“, rät Weidenbach. Vielleicht hast du neben der gesetzlichen Rente Anspruch auf Witwenrente, Betriebsrente oder Riester-Rente? Besitzt du Immobilien und kassierst Miete? Erhältst du Geld aus einer privaten Rentenversicherung? Addiere alle Einnahmen zusammen. Reichen sie, um die Pflege auf Dauer zu finanzieren?

Kalkuliere dabei ruhig großzügig und leg einen Finanzbedarf – also Eigenanteil im Pflegefall – von mindestens 2.900 Euro im Monat zu Grunde. Die Rechnung ist dann einfach: Angenommen, du erhältst 2.000 Euro aus gesetzlicher und betrieblicher Rente (das wäre schon viel!), und den Eigenbedarf nimmst du mit 2.900 Euro an. Dann ergibt sich eine Lücke von 900 Euro im Monat.

Als nächstes überschlägst du den Wert deines Vermögens. Besitzt du eine Immobilie, hast du geerbt oder durch eigene Vorsorge Rücklagen gebildet? „Das Vermögen kann für die Pflege verwertet werden“, so Weidenbach. Teile also den Wert deines Vermögens durch den Betrag, den du im Monat voraussichtlich benötigen wirst – in diesem Fall durch 900. Wenn du 70.000 Euro angespart hast, ist das Vermögen in 78 Monaten oder knapp sechs Jahren und sechs Monaten verbraucht. Zinsen, Dividenden und Kursgewinne bleiben in der Beispielrechnung unberücksichtigt – vielleicht willst du ja im Alter auch weniger riskant anlegen und die Rendite ist dann nicht mehr so üppig.

Fällt deine Rente geringer aus, ist das Vermögen entsprechend schneller aufgezehrt. Frauen erhielten 2022 im Schnitt eine Altersrente von gerade einmal 890 Euro – ein Vermögen von 70.000 Euro wäre dann in weniger als 3 Jahren weg. Bedenke dabei, dass Frauen im Schnitt länger pflegebedürftig sind als Männer, weil sie statistisch gesehen länger leben. Von den 2022 verstorbenen Frauen waren 56,1 Prozent länger als zwei Jahre und insgesamt 65,7 Prozent länger als ein Jahr pflegebedürftig gewesen. Diese Zahlen gehen aus dem von der Barmer Ersatzkasse verfassten Pflegereport 2023 hervor. Überhaupt nicht pflegebedürftig waren von den 2022 verstorbenen Frauen nur 16 Prozent – bei den Männern waren es 30 Prozent.

Macht eine Pflegezusatzversicherung Sinn?

Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine Teilkasko. Wenn du mehr Schutz wünschst, kannst du eine private Zusatzversicherung abschließen. „Die entstehende Versorgungslücke kann dadurch ganz oder zum Teil ausgeglichen werden“, sagt Verbraucherschützerin Elke Weidenbach. Dabei stehen drei unterschiedliche Modelle zur Wahl.

1. Pflegekostenversicherungen häufig nicht empfehlenswert

Die Versicherung zahlt in der Regel die Restkosten, die von der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht übernommen werden. Allerdings meist nur bis zu einem Höchstbetrag pro Jahr. Frauenfinanzberaterinnen wie Renate Fritz von frau & geld rät von solchen Policen grundsätzlich ab. „Pflegebedürftige sind schlicht oft gar nicht in der Lage, die Belege zu sammeln und einzuschicken“, so ihre Erfahrungen.

Auch Versicherungsexpertin Weidenbach warnt: „Mit einem Pflegekostentarif zahlen Sie in der Regel einen Teil der Kosten selbst.“ Zudem werden oft nur die Kosten professioneller Pflegedienste übernommen. „Sie können also nicht frei über die Mittel verfügen“, so die Verbraucherschützerin. Wenn du also zu Hause von Angehörigen gepflegt wirst, gehst du – je nach Tarif – leer aus. Der Vorteil dieser Police: Die Leistungen passen sich der Kostenentwicklung an.

2. Pflegetagegeld: Ungewisse Beitragsentwicklung

Mit dieser Police erhältst du im Fall der Fälle ein Pflegetagegeld, dessen Höhe von deinem Pflegegrad und dem versicherten Tagessatz abhängt. „Das ist oft die bessere Variante, weil Pflegebedürftige damit frei über das Geld verfügen können“, sagt Weidenbach. Sie rät dazu, auf die Möglichkeit zum Aufstocken zu achten. „30 Euro heute sind vielleicht in 25 Jahren nicht mehr viel wert“, so die Versicherungsexpertin.

Wichtig ist auch, dass mit Eintritt der Pflegebedürftigkeit Beitragsfreiheit herrscht. Achte darauf in den Versicherungsbedingungen, denn einige Anbieter verlangen auch dann noch Prämienzahlungen, wenn du bereits pflegebedürftig bist

Zudem solltest du dich nicht ausschließlich an den Leistungen orientieren, die du bei einem möglichen Pflegegrad 5 erhältst. „Statistisch gesehen sind die meisten Pflegebedürftigen sehr lange in den unteren Pflegegraden“, beobachtet Renate Fritz. „Es macht also Sinn, auch die Leistungen bei Pflegegrad 2 und 3 zu vergleichen.“

Ein Nachteil der Pflegetagegeld-Versicherung: „Niemand weiß, wie sich die Beiträge entwickeln werden“, warnt Renate Fritz. „Wenn Sie sich die Beiträge irgendwann nicht mehr leisten können, haben Sie jeden Schutz verloren und das Geld ist futsch.“ Immerhin musst die die Beiträge auch im Rentenalter zahlen.

3. Pflegerente: Auszahlung erst ab Pflegegrad 3

Mit einer Pflegerentenversicherung erhältst du lebenslang eine monatliche Rente, sobald du pflegebedürftig bist. Anders als beim Pflegetagegeld sind die monatlich zu entrichtenden Beiträge während der Versicherungsdauer stabil. „Sie selbst bestimmen die monatliche Einzahlungshöhe, nicht irgendein Tarif“, sagt Renate Fritz. „Sie müssen also keine Beitragssprünge befürchten.“

Die andere Seite der Medaille: Du weißt nicht, wie hoch die Leistung tatsächlich ausfallen wird. Es gibt zwar eine garantierte Rente, aber was am Ende ausbezahlt wird, hängt davon ab, ob der Versicherer Überschüsse erzielt. Es kommt also maßgeblich auf die Auswahl eines soliden und gut wirtschaftenden Versicherers an.

Ein weiterer Nachteil: Pflegerenten werden oft erst ab Pflegegrad 3 gezahlt. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen geht also erst einmal leer aus. 2021 hatten 16,8 Prozent der Leistungsempfänger nur Pflegegrad 1, und 44,8 Prozent hatten Pflegegrad 2 (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit).

Wann eine Zusatzversicherung nicht sinnvoll ist

Die private Pflegezusatzversicherung gehört zu den teureren Policen. Bevor du dich absicherst, sollten elementare Risiken wie Berufsunfähigkeit oder Haftpflicht abgedeckt sein.

Wie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung gilt auch bei der privaten Pflegeversicherung: Je älter du bist und je mehr Vorerkrankungen du hast, desto teurer wird es. Dennoch ist es nicht sinnvoll, in sehr jungen Jahren zu starten, denn das Risiko pflegebedürftig zu werden, steigt erst im hohen Alter stark an.

2019 war von den 85- bis 90-Jährigen etwa jeder zweite auf Pflege angewiesen. Bei den Senioren über 90 steigt der Anteil dann allerdings auf 76 Prozent. Wer mit 30 beginnt, für den Pflegefall vorzusorgen, zahlt im Zweifel also über 60 Jahre (!) in die Versicherung ein, um für einen überschaubaren Zeitraum Leistungen zu beziehen. In dieser Zeit hätte man – z.B. mit einem Fonds- oder ETF-Sparplan – ein schönes Vermögenspolster aufbauen können, das dann ebenfalls für die Pflege herangezogen werden kann.

Bei Vorerkrankungen: Pflege-Bahr

Seit 2013 gibt es eine staatlich-geförderte Pflegezusatzversicherung, die du auch mit Vorerkrankungen abschließen kannst. Hier dürfen die Versicherer keine Gesundheitsprüfung verlangen und keine BewerberInnen ablehnen, solange die Pflegebedürftigkeit noch nicht eingetreten ist.

Der sogenannte Pflege-Bahr wird vom Staat mit 60 Euro pro Jahr bezuschusst. Es handelt sich dabei um eine Pflege-Tagegeld-Versicherung. Der Nachteil: Die Policen sind teurer, es gibt eine Wartezeit von fünf Jahren nach Vertragsabschluss und es können im Pflegegrad 5 maximal 600 Euro versichert werden.

Vermögensaufbau ist günstiger und flexibler

Versicherungsschutz ist sinnvoll, wenn du kein Vermögen aufgebaut hast und deinen Kindern nicht auf der Tasche liegen möchtest. Allerdings ist die Absicherung nicht zum Nulltarif zu haben. Günstiger und flexibler bleibst du, wenn du frühzeitig mit dem Vermögensaufbau beginnst. Bedenke: Bis zum wahrscheinlichen Eintritt der Pflegebedürftigkeit hast du – zumindest statistisch gesehen – viele Jahrzehnte lang Zeit, Geld – etwa per Sparplan – anzulegen. Allerdings erfordert das eine gewisse Disziplin. Wenn du – sobald da eine schöne Summe zusammengekommen ist – das Geld wieder ausgibst, ist es eben weg und steht dir später nicht mehr zur Verfügung.

Hier ein kleines Rechenbeispiel: Mit einem 100 Euro-Sparplan kommt bei einer angenommenen Performance von 5 Prozent p.a. über 60 Jahre ein Vermögen von über 435.000 Euro raus.

Wenn du ein kleines Vermögen aufgebaut hast und später dann doch kalte Füße bekommst, kannst du per Einmalzahlung bis zum Alter von 75 Jahren eine private Pflegerente abschließen. Voraussetzung: Du bist gesund.

herMoney Tipp

Pflege ist teuer, Vorsorge macht auf jeden Fall Sinn. Ob du lieber eine Versicherung abschließt oder diszipliniert selbst vorsorgen willst, bleibt dir überlassen.

Falls du dich für die Versicherungs-Möglichkeit entscheidest: Wähle Pflegerente oder Pflegetagegeld und achte auf die Kosten! Die Qualität der Tarife unterscheidet sich zum Teil erheblich; daher ist die Auswahl für Laien nicht ganz einfach. Gute BeraterInnen oder auch Tests der Stiftung Warentest helfen durch den Angebots-Dschungel.

herMoney-Club: Dein Safe Space für alle finanziellen Themen

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Autorin

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Geschäftsführerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

Auch interessant: