Witwenrente nach altem oder neuem Recht: Wann gilt was?
6. Juli 2023
Stirbt der Partner, ist das ein Schicksalsschlag. Damit du nicht auch noch vor dem finanziellen Ruin stehst, gibt‘s Witwenrente.
Inhalt
- Anspruch auf Witwenrente
- Gilt altes oder neues Recht?
- Große Witwenrente
- Kleine Witwenrente
- Einkommensanrechnung
- Scheidung
- Neue Heirat
Witwenrente nach altem und neuem Recht: Das Wichtigste in Kürze
2002 wurde die Witwenrente neu geregelt. Wenn du oder dein Partner beziehungsweise deine Partnerin 1961 oder früher geboren ist und ihr vor 2002 geheiratet habt, gilt die Witwenrente nach altem Recht.
Größter Unterschied: Die „alte“ Witwenrente wird ein Leben lang gezahlt, die „neue“ nur dann genauso lange, wenn du die große Witwenrente erhältst.
Die große Witwenrente bekommst du beispielsweise dann, wenn du ein minderjähriges Kind erziehst oder mindestens 45 bis 47 Jahre alt bist.
Stell dir folgendes Szenario vor: Susanne ist 42 Jahre alt, arbeitet Teilzeit als Grafikdesignerin und lebt zusammen mit ihrem Mann Frank und ihrer 10-jährigen Tochter Sofia in einer Doppelhaushälfte. Doch Frank stirbt überraschend bei einem Motorradunfall und lässt seine kleine Familie zurück. Damit Mutter und Kind nicht in Existenznot geraten, erhält Susanne Witwenrente. Wie viel Geld sie wie lange bekommt, hängt davon ab, ob sie die neue oder alte Witwenrente erhält. Wir klären auf.
Wann steht dir überhaupt Witwenrente zu?
- Mindestens ein Jahr verheiratet
„Damit der Hinterbliebene Anspruch auf die Witwen- und Witwerrente hat, muss die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft im Regelfall mindestens ein Jahr vor dem Tod des Partners geschlossen worden sein“, erklärt die Fachanwältin für Sozialrecht Stephanie Bröring von der Kanzlei Jakobsmeier & Bröring. - Mindestens 5 Jahre Einzahlung in die Rentenkasse
Eine weitere Voraussetzung für eine Hinterbliebenenzahlung: Der Partner war bereits Rentenbezieher oder hat mindestens fünf Jahre in die Rentenkasse einbezahlt. Bei der Beantragung spielt es keine Rolle, ob die Partnerin selbst in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt hat. Das bezeichnet man als „abgeleitete Rente“, erläutert Bröring.
Gut zu wissen: Damit die Trauerzeit ein wenig erleichtert wird, erhalten Witwen in den ersten drei Monaten die volle Rente des Verschiedenen. Diese Zahlungen werden nicht auf das Einkommen angerechnet.
Wann gilt das alte Recht und wann das neue bei der Witwenrente?
Zum Jahr 2002 gab es eine Neuregelung der Hinterbliebenenrente. Seitdem muss nach altem und neuem Recht unterschieden werden. „Haben Sie vor 2002 geheiratet und ist ein Ehepartner/Lebenspartner oder eine Ehepartnerin/Lebenspartnerin vor dem 2. Januar 1962 geboren, gilt für Sie das ‚alte Recht‘“, heißt es bei der Deutschen Rentenversicherung.
Im Umkehrschluss: Wenn du 2002 oder danach getraut wurdest oder deine Lebenspartnerschaft eingetragen hast, fällst du unter das „neue Recht“ der Witwenrente.
Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Unterschied: Der Gesetzgeber spricht von der „großen Witwenrente“ und der „kleinen Witwenrente“. Die Art entscheidet am Ende darüber, wie hoch der Prozentsatz der Rentenauszahlung ist.
Große Witwenrente nach neuem und altem Recht
Die große Witwenrente bekommst du dann, wenn du im Jahr, in dem dein Partner gestorben bist, ein gewisses Alter erreicht hast. Dafür muss man laut Anwältin Bröring mindestens zwischen 45 und 47 Jahren alt sein. Diese Altersgrenze wird seit 2012 jährlich stufenweise auf 47 Jahre angehoben.
Des Weiteren fällst du dann unter die große Witwenrente, wenn du ein minderjähriges Kind erziehst oder erwerbsgemindert bist. Ist dein Kind behindert, spielt das Alter keine Rolle, sagt die Fachanwältin.
Die große Witwenrente ist zeitlich unbegrenzt. Gleichgültig ob für dich das alte oder das neue Recht gilt.
Unterschiede zwischen der großen „alten“ und „neuen“ Witwenrente:
Altes Recht | Neues Recht | |
Höhe | 60 % vom Rentenanspruch des Verstorbenen | 55 % vom Rentenanspruch des Verstorbenen |
Kinderzuschlag | nein | ja |
Mindestdauer der Ehe | keine | 1 Jahr |
Höhe des Kinderzuschlags bei der großen Witwenrente:
- Kind: 72,03 Euro (alte Bundesländer) und 71,03 (neue Bundesländer)
- jedes weitere Kind: 36,02 Euro bzw. 35,52 Euro
Quelle: Deutsche Rentenversicherung, Stand: 29.06.2023
Kleine Witwenrente nach neuem und altem Recht
Unterschreitest du die Altersgrenze für die große Witwenrente und erziehst nicht gerade ein Kind oder bis erwerbsgemindert, gibt es lediglich ein Viertel der Rente deines Partners. Wenn der Partner noch nicht in Rente war, erhältst du ein Viertel des Rentenanspruchs, den der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes hatte.
Tipp: Wenn du die Altersgrenze während des Rentenbezugs erreichst, solltest du überprüfen, ob du die große Witwenrente beziehen kannst. Die Rente ist im Falle des alten Rechts zeitlich unbegrenzt. Dafür musst du einen Antrag bei der Rentenversicherung einreichen.
Unterschiede zwischen der kleinen „alten“ und „neuen“ Witwenrente:
Bei Renten nach neuem Recht gibt es die Zahlungen nur für zwei Jahre. Denn der Gesetzgeber geht laut der Deutschen Rentenversicherung davon aus, dass du nach dieser Übergangszeit selbst für deinen Lebensunterhalt sorgen kannst. Doch dafür kannst du Kinderzuschläge erhalten.
Kinderzuschlag bei kleiner Witwenrente ab Juli 2022:
- Kind: 32,74 Euro (alte Bundesländer) und 32,29 (neue Bundesländer)
- jedes weitere Kind: 16,37 Euro bzw. 16,14 Euro
Ein weiterer Unterschied: Bei der kleinen Witwenrente nach neuem Recht muss die Ehe mindestens ein Jahr vor dem Tod des Partners geschlossen worden sein.
Anrechnung des Einkommens auf die Witwenrente nach altem und neuem Recht
Die Anwältin macht darauf aufmerksam, dass die eigene Rente oder das Einkommen auf den Betrag angerechnet werden. Das gilt für die Witwenrente nach altem Recht gleichermaßen wie für die Witwenrente, die unter neues Recht fällt.
Doch hier kann ein Freibetrag angesetzt werden. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung ist er mit dem aktuellen Rentenwert verknüpft. So wird sichergestellt, dass er mit steigt, wenn die Renten erhöht werden.
Was ändert sich 2023 bei der Witwenrente?
Derzeit liegt der Freibetrag beim 26,4-Fachen des aktuellen Rentenwertes (zurzeit 37,60 Euro, Stand Juli 2023). Am 1. Juli 2023 stieg der Freibetrag auf 992,64 Euro in den alten und in den neuen Bundesländern. Verdienst du mehr, musst du Abzüge der Witwenrente hinnehmen.
Welches Einkommen wird auf die Witwenrente nach altem Recht angerechnet?
- Erwerbseinkommen
- Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit
- Minijob-Entlohnung
- Renten
- Entgeltersatzleistungen
Nach dem neuen Recht werden zudem noch folgende Einkommen bei der Anrechnung hinzugefügt:
- Einkünfte aus Kapitalvermögen
- Betriebsrenten/Zusatzversorgungen
- Einkünfte aus privaten Renten-, Lebens- oder Unfallversicherungen
Quelle: smart-rechner.de
Einkünfte aus einer Riester- oder Rürup-Rente, Pflegegeld der gesetzlichen Pflegeversicherung, Bürgergeld, Grundsicherung im Alter oder Wohngeld führen nicht zu einer Kürzung der Witwenrente.
Gut zu wissen: Die Behauptung, dass Annalena Baerbock die Witwenrente zugunsten der Flüchtlingshilfe abschaffen will, kursierte einige Zeit auf Facebook und WhatsApp und seit Neuestem auf TikTok. Sie ist nach dem Rechercheportal Correctiv reiner Fake. Also nicht irritieren lassen.
Wie verhält es sich mit der Witwenrente bei einem Rentensplitting?
Als Hinterbliebene hast du die Wahl zwischen der Hinterbliebenenrente oder Rentensplitting. Beim Rentensplitting werden die Rentenansprüche zwischen beiden PartnerInnen aufgeteilt: Der Partner mit höheren Rentenansprüchen gibt einen Teil ab.
„Diese Entscheidung können Sie auch dann noch treffen, wenn Sie bereits eine Witwen- oder Witwerrente erhalten“, informiert die Deutsche Rentenversicherung. Wenn du dich aber für das Rentensplitting entscheidest, hast du keinen Anspruch mehr auf Witwenrente.
Für wen lohnt sich das Rentensplitting?
Das Rentensplitting ist dann vorteilhaft, wenn du im Laufe deiner Ehe oder der Partnerschaft weniger Rentenanwartschaften ansammeln konntest. „Sie profitieren, weil sie durch das Rentensplitting einen höheren Rentenanspruch erhalten, der auch bei einer Wiederheirat bestehen bleibt“, erklärt die Rentenversicherung.
Zum Weiterlesen: Erbschaft einer Immobilie: So funktioniert die Wertermittlung eines Hauses
Witwenrente trotz Scheidung?
In der Regel besteht nach einer Scheidung kein Anspruch auf Witwenrente.
Ausnahmen:
- Scheidung vor dem 01.07.1977
- keine erneute Heirat zu Lebzeiten des Partners
- Anspruch auf Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tod des Partners
- Mindestversicherungszeit von 5 Jahren erfüllt (seitens des verstorbenen Partners)
Alle Bedingungen müssen erfüllt sein.
Hast du Anspruch auf Erziehungsrente?
Bist du geschieden oder getrennt, kannst du eine Erziehungsrente erhalten. Sie dient somit als Unterhaltsersatz. Für die Zahlung sind nach Angaben der Deutschen Rentenanstalt folgende Bedingungen geknüpft:
- Die Ehe ist nach dem 30. Juni 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden oder bei Auflösung der Ehe vor dem 1. Juli 1977 richtete sich der Unterhaltsanspruch nach dem DDR-Recht.
- Der geschiedene Ehepartner ist gestorben.
- Du bist unverheiratet geblieben und bist keine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen.
- Du erziehst ein eigenes oder ein Kind des früheren Ehepartners (auch Stief- und Pflegekind, Enkel oder Geschwister), das noch keine 18 Jahre alt ist.
- Das Gleiche gilt für ein behindertes eigenes Kind oder Kind des früheren Ehepartners, unabhängig vom Alter des Kindes.
Alte vs. neue Witwenrente: Was passiert bei erneuter Heirat?
Fachanwältin Bröring rät Frauen bei erneuten Heiratsplänen, gut abzuwägen. Denn wenn du nach dem Tod des Partners erneut „ja“ sagen willst, endet auch der Anspruch auf die Witwenrente.
„Wichtig zu wissen ist allerdings: Bei einer Wiederheirat haben Sie Anspruch auf eine Abfindung Ihrer bisherigen Witwen- oder Witwerrente. Sie können eine Abfindung von 24 Monatsrenten der Witwenrente ausgezahlt bekommen, die Sie mit einem formlosen Schreiben bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen können. Berechnungsgrundlage ist die durchschnittliche Rente der letzten zwölf Monate.“
Das gilt aber nur dann, wenn die vorangegangene Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft vor dem 1. Januar 2002 geschlossen und mindestens ein Partner vor dem 2. Januar 1962 geboren wurde.
„Bei kleinen Witwen- oder Witwerrenten ist die Abfindungshöhe für Todesfälle ab 1. Januar 2002 an den gekürzten Anspruchszeitraum für den Rentenbezug von maximal 24 Kalendermonaten angepasst. Haben Witwen, Witwer oder überlebende Lebenspartner zum Beispiel für 14 Kalendermonate die kleine Witwen- oder Witwerrente erhalten, wird damit die Abfindung auch nur noch in Höhe des zehnfachen Monatsbetrages der abzufindenden Rente geleistet, denn es wären ohne die Wiederheirat auch nur noch zehn Monate Witwen- oder Witwenrente gezahlt worden“, erklärt die Behörde.
FAQ
herMoney Tipp
Am besten beantragst du die Witwenrente möglichst bald, damit du nicht in eine finanzielle Schieflage gerätst. Die gute Nachricht, falls du es nicht sofort schaffst: Alle Hinterbliebenenrenten zahlt die Rentenversicherung rückwirkend bis zu zwölf Monate vor dem Monat, in dem man den Antrag gestellt hat.
Zum Weiterlesen: Im Todesfall wartet viel Bürokratie auf die Hinterbliebenen. Wir erklären mit einfachen Worten, wie die Erbschaftssteuer in Deutschland funktioniert.
Disclaimer: Alle Angaben sind ohne Gewähr. Trotz sorgfältiger Recherche kann herMoney keine Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit übernehmen. Der Artikel dient lediglich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar.